Ausprobiert: Windows 8 Developer Preview

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Nachdem ich mich nun einige Tage mit der für Entwickler gedachten Preview-Version von Windows 8 auseinandergesetzt habe, steht für mich fest, dass Microsoft auf jeden Fall vermeiden will, noch einmal ein Produkt wie Vista auf den Markt zu bringen. Obwohl der erste Eindruck, den diese Kostprobe von Windows 8 hinterlässt, der eines drastisch anderen Benutzererlebnisses ist, sogar im Vergleich mit dem aktuellen Windows 7, mutet diese Version wie eine natürliche Weiterentwicklung der Plattform an.

Unter dem Gesichtspunkt der Plattform-Architektur ist die Preview tatsächlich Version 6.2 von Windows, was auch durch das Betriebssystem selbst bestätigt wird, wenn man das öffnet, was ich wohl immer ein DOS-Fenster nennen werde (obwohl »Kommandozeilenfenster« heutzutage die politisch korrekte Bezeichnung ist). Die von Microsoft veröffentlichten Pressematerialien machen deutlich, dass die nächste Version von Windows eine Weiterentwicklung von Windows 7 darstellt, wobei die dramatischsten Änderungen für den Bereich außerhalb der Hauptfunktionen für den Büro-Einsatz reserviert sind.

Microsoft spielt seine Stärken aus

Es liegt auf der Hand, dass mit dieser Version zu guter Letzt die Tage vorbei sind, in denen jede Version die Mindestanforderungen an die Hardware erhöht hat. Die Systemvoraussetzungen für die Vorschau-Version, nämlich 1 GHz Prozessorgeschwindigkeit, 1 GByte Arbeitsspeicher für 32-Bit-Systeme und 2 GB für 64-Bit-Systeme, werden von fast allen aktuellen Tablet-Modellen auf dem Markt erfüllt.
Wenn wir schon von Tablets sprechen: Es ist ganz interessant, die Herangehensweise an den Tablet-Markt von Microsoft mit Windows 8 mit der von Apple zu vergleichen. Obwohl Microsoft das Tablet-PC-Konzept entwickelt hat, als Apple noch auf MP3-Player fixiert war, wird nun deutlich, dass Microsoft der Hardware-Entwicklung weit voraus war, wenn nicht sogar dem Markt selbst.

Nachdem bei Apple das mobile Betriebssystem aus dem Desktop-Betriebssystem hervorgegangen war, führte das Unternehmen Mitte des Jahres mit OS X Lion Funktionen auf dem Desktop ein, die bereits vom mobilen Betriebssystem her bekannt waren. Trotzdem gibt es momentan eine ganz klar definierte Abgrenzung zwischen Applikationen für Macs und Apps für mobile Endgeräte. Im Unterschied dazu greift Microsoft auf seine Erfahrungen mit Desktop-Betriebssystemen zurück und spendiert dem Betriebssystem ein für mobile Endgeräte geeignetes Frontend.

Für Microsoft könnte dies sehr wohl eine erfolgreiche Strategie darstellen, da das Unternehmen damit seine Stärken im Bereich Desktops ausspielt. Obwohl Microsoft ein ganzes Jahrzehnt an dieses Katastrophen-Betriebssystem namens Windows Mobile verschwendet hat, ist es nach wie vor bei Geschäftskunden führend. Die Frage ist, ob eine Tablet-Version von Windows 8 viel gegen Apples Führungsposition im Wettstreit um Applikationen ausrichten kann. Aber wenn es eine Entwickler-Community gibt, die gegen das iOS-Ökosystem antreten kann, dann ist es die von Microsoft.

In Microsofts Vorgehensweise beim Anpassen seines Betriebssystems an die mobile, berührungsgesteuerte Welt kann ich nur ein einziges Problem erkennen: die meisten Nutzer werden daraus keinen Nutzen ziehen können. Stattdessen wird der Normaluser im Unternehmen weiterhin dieselbe vollgekrümelte Tastatur und Maus verwenden, auf die er oder sie seit dem letzten Kaffee-Missgeschick umgestiegen ist. Für diese Sorte von Anwendern gibt es immer noch eine Lücke in der Benutzeroberfläche zwischen dem Start-Bildschirm und dem Windows Desktop, und diese Lücke muss geschlossen werden, bevor das Betriebssystem in die Betatest-Phase geht.

Gewiss, der Startbildschirm und das darin eingesetzte Metro-Design stellen eine willkommene Abwechslung von der Windows-Oberfläche dar, an die wir uns in den letzten paar Jahren gewöhnt haben. Obwohl an den Grundbausteinen über die Jahre hinweg kleine Veränderungen vorgenommen worden sind, wie zum Beispiel Ribbons, 3D Shading und durchsichtige Desktop-Elemente, sind die Unterschiede zwischen Windows 95 und Windows 7 vernachlässigbar klein im Vergleich zu dem, was der Anwender zum ersten Mal zu Gesicht bekommt, wenn er oder sie einen PC startet, auf dem die Windows 7 Preview installiert ist.

Wenn der Startbildschirm so verändert werden kann, dass darauf sowohl klassische Windows-Anwendungen als auch Metro-Apps dargestellt werden können, ist das die Verwirrung der Benutzer wert. Momentan handelt es sich dabei eher um ein Gimmick, das noch dazu ziemlich unpraktisch ist, da es kein Startmenü mehr gibt und ich daher gezwungen war, mich durch Dateiordner zu kämpfen, um meine Standardanwendungen, wie zum Beispiel Office, zu finden.

Installieren und Testen

Die Installation der Windows-8-Preview ging relativ problemlos vonstatten. Ich richtete virtualisierte Instanzen auf zwei MacBook Pro ein, auf denen VMware Fusion 4 lief, wobei diese Instanzen so behandelt wurden, als handelte es sich dabei Windows-7-Installationen auf einem PC mit einer einzigen virtuellen CPU mit 2 GByte RAM. Für ein echtes Bare-Metal-Erlebnis kamen eine HP Z600-Workstation mit zwei Intel Xeon-Prozessoren und 24 GByte RAM sowie ein HP Compaq 6000 Desktop-PC in kleiner Gehäusegröße mit einer Intel Core 2 Duo-CPU und 8 GByte RAM zum Einsatz. Für die Fälle, in denen die Vorschau-Version nicht die passenden Treiber für bestimmte Hardware-Funktionen meiner Test-Rechner enthielt, füllten die entsprechenden Windows-7-Treiber diese Lücken zufriedenstellend aus.

Da es sich hier um ein Pre-Beta-Version handelt, war es keine Überraschung, dass meine Bemühungen, Anwendungen zu installieren und die vorinstallierten Anwendungen zu benutzen, nur zum Teil von Erfolg gekrönt waren; Office 2010 zum Beispiel konnte ich ohne Schwierigkeiten installieren, musste aber die Desktop-Symbole von Hand erstellen. Hingegen gelang es mir nicht, die aktuelle Version von Autodesk im Standardmodus zu installieren. Die Installationsanwendung wurde beendet, ohne dass Veränderungen an meinem PC durchgeführt worden waren oder dass ich dazu aufgefordert worden wäre, den Kompatibilitätsmodus der Windows-Preview zu verwenden, mit dem Anwendungen so benutzt werden können, als ob sie unter Windows XP mit Service Pack 3, Vista mit SP2 oder Windows 7 installiert worden wären. Es brachte auch keinen Erfolg, die Autodesk-Installationstools als XP-Anwendung zu deklarieren, und zum Redaktionsschluss war ich immer noch ratlos.

Meine Kollegen haben Ähnliches erlebt, als sie den Kompatibilitätsmodus verwendet haben, und obwohl wir uns darin einig sind, dass der Einsatz von Hyper-V-Virtualisierung, die sowohl in der Client- als auch in der Server-Variante von Windows 8 zur Verfügung stehen wird, einen weiteren möglichen Lösungsansatz für das Problem von älteren Anwendungen darstellt, hat diese Methode ihre eigenen speziellen Problembereiche.

Die Vorschau-Version des nächsten Windows-Betriebssystems kann nicht als Upgrade installiert werden. Das wird sich sicherlich in der Endfassung ändern.

Das große Problem, das Microsoft lösen muss, bevor die nächste Windows-Version in die Betatest-Phase übergehen kann, ist das ewige Dilemma der Bestandsinstallationen. In den meisten Unternehmen wird Windows XP noch für die nächsten paar Jahre den Desktop beherrschen – Microsoft hat versprochen, Support für das Betriebssystem bis April 2014 zu leisten. Aber die Redmonder müssen mehr tun, als nur Boot-Zeiten und die APIs zu verbessern, damit Windows 8 ein Erfolg wird. Microsoft muss die Entwickler genauso wie die Anwender davon überzeugen, dass man das Spiel immer noch gewinnen kann, selbst wenn man erst spät einsteigt.


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