Winnenden: Counterstrike war’s (nicht)!Das Admin-Wort der Woche KW13/09
Admin-Wort der Woche: Warum Schützenvereine gefährlicher als Computerspiele sind
Es gehört inzwischen anscheinend schon zum Alltag, dass sich irgendjemand, der weder mit sich noch mit seiner Umwelt klarkommt, eine scharfe Waffe besorgt und in einer Schule Amok läuft. Und kaum sind die Leichen abtransportiert, melden sich schon die ersten professionellen Warner und Mahner, die in diesen traurigen Geschehnissen die ideale Plattform für ihre wirren Thesen finden (etwa mediensüchtige Politiker…). Da hilft auch nicht, dass die Spieleindustrie jeden Vorwurf von sich weist, denn die ist momentan eh nicht gut angesehen. Sogar bei meinen Kollegen ist das Thema umstritten, eweek-Mann Mehmet Toprak erklärt etwa im Podcast, er sehe zu viel Gewalt in Spielen.
Keine wissenschaftlichen Belege
Mal soll’s daran liegen, dass die Täter zuviel Computer gespielt haben, auch der Heavy-Metal Musik schreibt man einen negativen Einfluss zu. Fakt ist: Es gibt bis heute keine ernstzunehmenden Studien, die etwas Derartiges belegen oder auch nur wahrscheinlich erscheinen lassen. Auch, wenn Pseudo-Experten wie Christian Peiffer erklären, dass viele Schüler computerspielsüchtig seien.
Zweifelsfrei sicher ist hingegen, dass bei Amokläufen die mehr als eine Handvoll Opfer fordern, Schusswaffen im Spiel sind. Nur, die muss man ja zum einen inklusive Munition erst einmal haben, zum anderen auch wirkungsvoll bedienen können.
Amokläufer lernten im Schützenverein schießen
Aber dafür fanden sowohl Robert Steinhäuser, der in Erfurt wütete, als Tim Kretschmar aus Winnenden im Schützenverein die ideale Plattform. Hier lernt man das Schießen gründlich und dort gibt es auch die Möglichkeit, sich Waffen legal zu besorgen. Die Infrastruktur für Sportschützen ist in Deutschland perfekt, man kann sich das Mord-Werkzeug (Entschuldigung, wollte sagen das Sportgerät!) auch von Frankonia direkt nach Hause liefern lassen. Alles sehr bequem, denn so ein verwöhntes Mittelklassebalg wie Tim Kretschmer würde ja nicht im Leben mit dem kriminellen Milieu Kontakt aufnehmen um sich auszustatten.
Aber dem Vater die Wumme aus dem Nachttisch klauen, das hat er schon noch hinbekommen. Praktisch auch, dass anscheindend wohl gleich ein paar hundert Schuß Munition – vermutlich alle zur Abwehr von Einbrechern – im Nachkästchen gelegen haben.
Legale Schusswaffen sind das Problem
In Deutschland sind derzeit 11 Millionen Schusswaffen legal registriert. Der Sportschütze braucht sie halt, um seinem Hobby zu frönen. Mit einer Luftpistole geht das anscheinend weniger gut, dem gemütlichen Beisammensein ist eine möglichst großkalibrige Waffe anscheinend förderlicher. Alleine die Website meinverein.de meldet 79 Schützenvereine in Deutschland – und ohne Internet gibt es sicher weitaus mehr von diesen Knallbuden.
Ich gestehe ja ein, dass ich persönlich befangen bin. Mir ist dieses urdeutsche Vereinsgewese gänzlich suspekt. Warum biedere Familienväter abends auf Tontauben oder Schießscheiben ballern, verstehe ich überhaupt nicht. Auch die sogenannten Schützenfeste, wo man, um diesen potenziell gefährlichen Stumpfsinn etwas erträglicher zu gestalten, noch Unmengen an Bier und anderen alkolischen Getränken konsumiert, habe ich stets gemieden.
Als freier, mündiger Bürger möchte ich aber das Recht haben, die Musik zu hören die ich möchte und auch die Computerspiele spielen, die ich will. Mit beidem gefährdet man weder tatsächlich noch potenziell andere Menschen, daher verstehe ich ehrlich, gesagt die ganze unsägliche Debatte nicht.
Waffenbesitz für Privatleute abschaffen!
Meine Forderung ist daher, und sie ist durchaus ernst gemeint: Verbietet den Waffenbesitz von Privatleuten. Wölfe, Bären und anderes wildes Getier, gegen das man sein Haus und die Familie verteidigen muss, sind in Detuschland bekanntermaßen ausgestorben. Es gibt keinen Grund, diese Mordwerkzeuge – denn für nichts anderes sind Schusswaffen gebaut – in Privathaushalten vorzuhalten. Aber da das politisch nur schwer durchzusetzen ist, findet man in Computerspielen ja einen bequemen Sündenbock, um vom eigentlichen Problem abzulenken.
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Sascha Steinhoff
Der Autor
Sascha Steinhoff lebt und arbeitet als freier Journalist in Bangkok und München. Er veröffentlicht zu den Themen Business-IT, Administration und Fotografie. Sein aktuelles Projekt ist die Webseite www.diasdigitalisieren.info, die sich der digitalen Archivierung analoger Bildaufnahmen widmet. In seiner Zeit als Verantwortlicher für den Netzwerk-Teil der gedruckten Ausgabe der PC Professionell sammelte er zahlreiche Einblicke und Kontakte in die Welt der Administratoren.