Google: Der stille Skandal
Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.« Dieser Satz des berühmten TV-Journalisten Hanns Joachim Friedrichs wird an allen Journalistenschulen zitiert. Ausnahmen davon gibt es nur in wenigen Fällen. Das hier ist so einer.
Der Verein SuMa eV (“Gemeinnütziger Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs) krisisiert in seinen Newslettern immer wieder die unglaubliche Übermacht von Google. Und da kann ich einfach nur sagen: Diese Kritik teile ich voll und ganz.
Die Suchmaschine hat derzeit laut Webhits einen Marktanteil von 90 Prozent. Dahinter folgen Yahoo mit drei sowie T-Online und MSN mit jeweils zwei Prozent.

Rot: Google – Grün: Yahoo, der Rest spielt praktisch keine Rolle. Google hat eine Marktanteil von 90,4 Prozent. Quelle Webhits, Stand: 14.1.2009
Das Komische daran ist, dass sich kaum einer daran stört. Die Abhängigkeit der Internet-Branche und der Anwender von Google ist ein stiller Skandal, der niemanden aufregt.
Internet als Diener Googles
Früher war eine Suchmaschine dazu da, das Internet nach Informationen zu durchsuchen. Heute hat sich das Verhältnis umgedreht. Das Internet ist zum Diener Googles geworden. Unternehmen, die von ihrer Web-Präsenz leben, sind darauf angewiesen, im Google-Ranking gut abzuschneiden. Wer da nicht mit allen Tricks arbeitet und unter den Top 10 bei den Suchanfragen landet, kann den Laden gleich dicht machen. Folglich werden auch die Inhalte mit Keywords, passenden Schlagzeilen und anderen Tricks immer mehr fürs Google-Ranking zurechtgebogen. Dabei bleiben Qualität und Unabhängigkeit vielfach auf der Strecke.
Grusel statt Google
Das meistgehörte Wort in den Besprechungsräumen vieler Unternehmen ist heute »Google«. Als Unternehmen ist man praktisch gezwungen, seine Web-Präsenz auf dem Google-Marktplatz auszurichten. Dem weltweiten Marktplatz der Informationen, dessen Spielregeln von einem einzigen Unternehmen bestimmt werden. Wem da nicht gruselt …
Firmen sind auf die Suchmaschine angewiesen
Wolfgang Sander-Beuermann ist Geschäftsfuehrer des Suchmaschinenvereins SuMa-eV und zugleich Leiter des Suchmaschinenlabors der Universität Hannover.
Er kritisiert die Verantwortlichen in der Politik und spricht von einer »beispiellosen Ignoranz« in der Wissenschafts- und Förderpolitik. »Anstatt in realitätsnahe Zukunftstechnologien der IT zu investieren, die von den Nutzern gebraucht werden, wurden Unsummen an Foerdergeldern für abgehobene Wolkenkuckucksvisionen sinnlos verbrannt.«

War mal ganz groß: Altavista. Heute liegt der Marktanteil bei 0,1 Prozent. Da helfen auch 61 technische Patente nichts. (Quelle: Webhits).
Doch nicht nur Politiker, auch den Anwendern und der Internet-Branche hätte man schon ein bisschen mehr Aufmüpfigkeit zugetraut. Hatten wir nicht jahrelang gegen Microsofts Quasi-Monopol bei Betriebssystemen und Office-Software protestiert?
War nicht der Ärger über Microsofts Macht ein wichtiger Faktor für den Erfolg von OpenSource? Programme wie Firefox oder die Bürosuite OpenOffice.org hätten wohl kaum so viel Zulauf gehabt, wenn der Marktanteil der Microsoft-Produkte deutlich unter 70 Prozent gelegen hätte.
Im Fall von Google herrscht im Vergleich dazu eine merkwürdige Stille. Abgesehen von einigen wenigen Kritikern wie Sander-Beuermann herrscht Ruhe an der Kritikerfront.
Google ist nicht neutral
Liegt das vielleicht an den Unterschieden zwischen den Produkten? Der entscheidende Unterschied, den ich sehe: Windows und MS Office sind neutrale Werkzeuge, die keinen Einfluss auf den Inhalt nehmen. Mit Word schreibt der Anwender, was er will. Bei Google besteht hingegen das objektive Risiko, dass der Betreiber bestimmte Inhalte, also Websites, bevorzugt und andere ausschließt. Ist übrigens schon passiert. Stichwort: China.
Und aus deutscher Sicht kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Google ist eine US-Firma mit Sitz in Kalifornien. Damit ist diese zentrale Instanz für die globale Informationsgesellschaft weitgehend deutscher Rechtssprechung und dem Einfluss der Politik entzogen.

Es geht auch ohne Google: der Suchdienst Metager2 von SuMa.
Wenn beispielsweise die chinesiche Regierung sich wieder mal über Deutschland ärgert, weil Angela Merkel den Dalai Lama empfangen hat, und von Google fordert, dass deutsche Unternehmen für chinesische Google-Nutzer nicht mehr angezeigt werden dürfen, was könnte man in Deutschland dagegen tun?
In der Selbstdarstellung von Google heißt es: »Das Ziel (…) besteht darin, die auf der Welt vorhandenen Informationen zu organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar zu machen.«
Sicher ein großartiges Ziel. Allerdings bezweifle ich, dass man die Verantwortung für die Informationsfreiheit in der Informationsgesellschaft einem börsennotierten Unternehmen überlassen sollte. Ich vermute mal, dass ein Journalist wie Hanns Joachim Friedrichs das auch nicht anders gesehen hätte …
(Mehmet Toprak)
Weblinks
Webhits
Metager
Metager2
Projekte aus dem Suma-Labor
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