Krieg im CRM-Markt
Kunde 2.0: Neue CRM-Software verändert die Welt
Stürmische See in den Kontaktgewässern
Krieg im CRM-Markt
Eine der frühen Evolutionsleitern in der Ursuppe der Computerei hieß Adressverwaltung, Serienbrief, CRM. Und dann wurde es recht still im Ententeich der Beziehungspflege.
Doch seit kurzem herrscht stürmische See in den Kontakt-Gewässern, die Evolution hat wieder von Vorwärtsgang eingelegt. Neue Anbieter, sinkende Tarife und frische Technologien bringen den Markt in Bewegung.
“Der Kunde, das unbekannte Wesen” (Zitat aus einer Computerzeitschrift 1984), er überrascht so manches Unternehmen stets aufs Neue. Um die Beziehungen zu ihm professioneller und besser zu gestalten, erfanden Programmierer vor 20 Jahren Software zur Kontakt- und Beziehungspflege: Customer Relationship Management (CRM). Das kam gerade im Mutterland der Haushaltskassen- und Fahrtenbücher besonders gut an, weshalb die Walldorfer SAP zum Marktführer heranwuchsen. Doch die Zeiten und der Kunde ändern sich: Jedes Jahr verlieren durchschnittliche Unternehmen 10 bis 15 Prozent ihrer Kundenbasis, fand Bain & Company heraus. 84 Prozent der Abspringer sind mit dem Service nicht zufrieden, ergänzen die Markforscher von Forum. Doch nur 4 Prozent der unzufriedenen Kunden äußern sich gegenüber ihrem Lieferanten, stellte Autor Jim Barnes in “Secrets of CRM” fest.
Ergo: Daten über alle Käufer, Abnehmer und Geschäftspartner zu sammeln und intern allen Abteilungen zur Verfügung zu stellen, reicht heute nicht mehr. Das legte eine von SAP gesponserte Studie der Economist Intelligence Unit gerade schonungslos offen: 86 Prozent der in aller Welt und vielen Branchen befragten Unternehmen möchten ihre Beziehung zum Konsumenten unbedingt verbessern. Und nur 5 Prozent der Firmen glauben, dass sie ihre Kunden (-wünsche) recht gut kennen. Nach 20 Jahren CRM-Einsatz ein ziemlich bescheidenes Ergebnis!
Newcomer bringen CRM-Oldies in Bedrängnis
Krieg im CRM-Markt
“Nur wenige Firmen haben bei der Kundenbeziehung einen guten Job gemacht”, lautet denn auch das knallharte Fazit der EIU. “Zwei Jahrzehnte Erfahrung mit dieser Software, aber nur wenige sehen in ihrer CRM-Lösung einen Erfolg”, wundert sich Studienleiterin Debra DAgostino.
“Bislang sehen viele Unternehmen CRM bloß als eines der Hilfsmittel an, welches man halt so hat – wie Datenbank oder Anrufbeantworter. Die Firmenleitung muss aber erstmal erkennen, welches strategisch wichtige Hilfsmittel sie da in den Händen hält”, pflichtet Tracey Altman bei, Managerin einer Marketing-Beratung in Dallas. Dabei sei es angesichts sich rapide verändernden Kundenverhaltens – Internet, Mobilität, Markentreue – nötiger denn je, den Bedürfnissen der Abnehmer Rechnung zu zollen.
Bild: CRM ist ein wichtiger Teil der Untenehmensstrategie
Das haben ein paar Newcomer erkannt, die angefangen haben, mit moderneren Konzepten den teilweise verstaubten Markt aufzurollen (dazu später mehr) und die klassischen Anbieter mächtig in Bedrängnis zu bringen. Das ist auch Bob Stutz, Strategie-Manager bei SAP, aufgefallen: “CRM ist ein dynamischer Markt, der sich gerade sehr verändert und die nächste Evolutionsstufe jenseits der Standardisierung anstrebt.” Was er damit sagen will: Das reine Sammeln und Verarbeiten von Daten und Statistiken über den Käufer ist zu wenig. Auch ein monatlicher Newsletter per E-Mail ändere da wenig. “Kundenbedürfnisse zählen mehr als je zuvor. Darauf müssen sich Marketingleute, Verkäufer und auch Call-Center-Berater einstellen”, warnt Stutz.
Web 2.0 im CRM
Krieg im CRM-Markt
Dass sich die CRM-Zeiten ändern und die aktive Mitwirkung des Käufers an Ausrichtung und Optik der Software stärker gefragt ist, hat der selbsterklärte Markführer SAP nicht nur erkannt, sondern sogar schon verarbeitet. Der massive Erfolg neuer Anbieter war da sicher “hilfreich”. So gaben die Walldorfer in Boston soeben ihr Kundenmanagement-System CRM 2007 frei – nach einem Jahr Beta-Test.
Abgesehen von ungewohnten Funktionen überrascht vor allem das Look-and-Feel, das wie eine Art Web 2.0 wirkt. Trotzdem gehöre es nicht zum On-Demand-Angebot des Hauses, sondern ist Bestandteil der Business Suite (über den CRM-Trend On-Demand berichteten wir bereits hier).
“SAPs neues Modul für das Kundenbeziehungs-Management verbindet die Möglichkeiten von Web 2.0 mit weiteren End-to-End Prozessen”, kündigte der Hersteller offiziell an. Und Entwicklungsschef Michael De La Cruz ergänzt: “In CRM 2007 haben wir alles umgesetzt, was sich unsere Kunden schon lange gewünscht haben.”
In der Tat ist die Benutzeroberfläche vom User selbst stark individualisierbar. So darf er beliebige Mashups übers Wetter, Börsenkurse, Nachrichten oder das Kinoprogramm einrichten. Um nicht in den Verdacht zu geraten, nur Spielereien eingebaut zu haben, gibt es auch neue Profi-Werkzeuge: Mit dem Simulations-Tool Pipeline-Performance-Management darf der Vertrieb What-If-Szenarien durchspielen, um zu erfahren, wie sich eine Sonderaktion oder ein neuer Auftrag auf Firmenabläufe und Gesamtergebnis auswirken würden. Andere Funktionen helfen nun dabei, Marketingkampagnen oder Werbekostenzuschüsse zu optimieren oder den Fuhrpark im Auge zu behalten.
CRM-Herausforderer, Teil 1
Krieg im CRM-Markt
Wenn sich nach 20 Jahren CRM nun also ein Dickschiff wie SAP mit Wigdets beschäftigt, dann muss ein fetter Stein in den Teich gefallen sein, um solche Bewegungen zu verursachen. Stimmt. Mehr als einer sogar. Da wäre zunächst der Kunden-Management-Spezialist Salesforce mit der aktuellen Version Winter ’08. Der Herausforderer hat nach eigenen Angaben eine Million zahlende Kunden für seinen CRM-Service gewonnen (SAP: 6.000), die meisten davon erst in jüngster Zeit.
Salesforce ist dr derzeit schnellstwachsende OnDemand-CRM-Anbieter
Grund des Erfolges: Über 3.400 Entwickler haben auf Kundenseite das System weiterentwickelt und fast 6.000 eigene Funktionen über das Modul User-Interface-as-a-Service via Force.com-Plattform realisiert. Diese Offenheit und Flexibilität mache den Erfolg eines modernen Kunden-Managements aus. Ach ja, ein niedriges Preisniveau, das bei 10 Euro pro Nutzer und Monat beginnt, hat sicher auch nicht geschadet. Apropos: Schaden hat neulich ein blödes Eigentor angerichtet: Ein Salesforce-Mitarbeiter fiel auf Phishing herein, wodurch zahlreiche Adressen der Kunden in die Hände von Online-Gangstern gelangten (wir berichteten ). Die werden jetzt höchstwahrscheinlich eine eigene und höchst intensive Beziehung zu den Kunden aufbauen…
Doch es gibt ja günstige Alternativen zu Salesforce: SuperOffice (jüngste Version SIX.web) aus Oslo (mit Filialen in Dortmund; Hamburg, Stuttgart) will jene modernen Firmen g
lücklich machen, deren Mannschaft ohnehin mehr in Wartehallen, Flugzeugen, Zügen, Autos, Hotels und Home-Offices hockt als in der Zentrale. Schließlich sei das mobile Büro mit Online-Zugang der Standard-Arbeitsplatz der nahen Zukunft, glaubt auch die Forschungs-Initiative D21: “Der Anteil der mobilen Arbeit wird von aktuell 6,8 auf über 80 Prozent wachsen – in nur zwölf Jahren.” Diese Prognose zeigt die Marktchancen für webbasierte Applikationen, bei denen Kundenbeziehungen unabhängig von Plattform und Standort gepflegt werden. Genau das bietet SuperOffice SIX.web schon heute. Das intuitiv zu nutzende Interface erreichen die Mitarbeiter einfach über den Standardbrowser. Egal ob zu Hause, auf Reisen oder im Café alle dazu Berechtigten können stets auf die aktuellsten Daten und Prozesse zugreifen. Im Gegensatz zur alten Standardversion brauchen die Nutzer nicht mehr zwingend ein Windows- Betriebssystem. Und keine zeitraubende (und kostenintensive) Installationen auf ihrem Rechner. Die Hauptdatenbank sitzt auf einem zentralen Server. Das Konzept geht auf: Allein in Deutschland verzeichnete der Anbieter in diesem Jahr ein Wachstum von fast 25 Prozent.
CRM-Herausforderung: Open Source-Fraktion
Krieg im CRM-Markt
Besonders große Sorgen dürften sich die klassischen CRM-Platzhirsche (wie CAS Software) über das rasante Vordringen von supergünstigen Open-Source-Lösungen machen. Die dickste Welle schiebt hier gerade SugarCRM vor sich her. Das ohne Programmierkenntnisse in Layout und Datenbankstruktur leicht anpassbare System überzeugte vor allem in Amerika viele Kunden. Gerade die kostenlosen Widgets, die per Drag&Drop das dröge CRM-Thema inhaltlich und optisch aufpeppen, sind der Hit bei den Nutzern. Mit etwas Geschick lässt sich so der eigene “Skin” basteln, bis die Oberfläche dem Look&Feel der jeweiligen Firma entspricht. So wird spielerisch die Corporate Identity realisiert.
Eine hohe Skalierbarkeit von Sugar 5.0 und die große Funktionsvielfalt in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Support gefallen den Abnehmern. Mehr noch, dass die Basisversion unter Open Software Lizenz steht und damit erst einmal kostenfrei angeschafft und ausprobiert werden kann. Wer Geschmack an SugarCRM findet und dann nachsüßen will, erweitert auf die lizenzpflichtigen Professionell- und Enterprise-Versionen (275 bis 900 Dollar), die vorhandene Backoffice-Umgebungen integrieren und über eine Vielzahl von Plugins neue Funktionen ins Spiel bringen.
Bild: zahlreiche Neuerungen in Version 5 des “kommerziellen OpenSource-Piogamms” SugarCRM
Wer gar nicht erst in diese Höhen vordringen will, kann auch das kostenlose schlanke CRM XRMS wählen. Sein Vorteil: Alle Anwender gehen über den Browser ins überraschend flotte System. Seine übersichtliche Datenbankstruktur lässt sich leicht erweitern. Wer sicherstellen möchte, dass es auch in Zukunft tolle Versions-Updates gibt, spendet dem Open-Source-Projekt eine Kleinigkeit. Ähnlich verhält es sich mit dem englischsprachigen CRM vtiger, das sich aber mehr als klassische Office-Lösung gibt. Die ansprechende Oberfläche ist leicht zu bedienen, der reichliche Funktionsumfang bietet Arbeitserleichterungen wie Angebote, Rechnungen und personalisierbares Reporting an.
Berliner Rundumpflege
Krieg im CRM-Markt
Einen ordentlichen Schreibtisch, ein stets besetztes Sekretariat und beides im weltweiten Zugriff versprechen die Berliner von MMO Unified. Nie gehört? Das ist ein frischer Zusammenschluss aus My Mobile Office und TecArt CRM Mobile.
Das gemeinsame Service-Angebot hat vor allem die Büro-Organisation für mobile Manager im Blick, die mit Notebook, einem WAP-fähigen Handy oder via PDA ihr Customer-Relationship-Management erledigen wollen. Das System behält die Übersicht über Kontakte, Kalender, Projektplanung und die Verwaltung der Mitarbeiter, bewahrt Dokumente auf und empfängt E-Mails.
Der erprobte, flexible Auftragsdienst My Mobile Office sammelt und organisiert die Anfragen der Kunden, leitet eingehende Anrufe ins Communication Center um und nimmt Bestellungen und sonstige Nachrichten an. So bringt MMO Unified CRM sogar in die 1-Mann-Frima, die es sich bei Preisen ab 9,95 Euro monatlich auch locker leisten kann.
Hersteller wollen den Mittelstand
Krieg im CRM-Markt
Angesichts dieser vielen Billig-Anbieter, die durch ihre angestammten Kundengewässer pflügen, geraten die “alten” CRM-Anbieter in unruhige See. Manche von ihnen glauben, Richtung Mittelstand abzubiegen, bringe sie wieder in ruhigeres Fahrwasser. Schließlich arbeiten lediglich 20 Prozent der deutschen Mittelständler mit einem modernen CRM-System, schätzt CAS-Sprecherin Martina Wöhr (http://www.cas.de/). Zwar verfügen die anderen 80 Prozent meist auch über eine Art Kunden-Management, doch das seien meist nur Hilfsmittel wie Adressdatenbanken, Excel-Tabellen oder Bestell- und Karteisysteme. Diese Klientel nun aber für ein servergestütztes anspruchsvolles CRM zu begeistern, dürfte keine leichte Aufgabe werden. “Manche Mittelständler wissen sehr genau, was sie wollen, andere fangen komplett auf der grünen Wiese an”, weiß auch Frau Wöhr.
Ihr Mitbewerber Oracle sieht das aber anders: “Der Mittelstand lebt nicht im Mittelalter”, warnt Vizepräsident Werner Keller. Trotz der mangelnden Technik würden die Mittelständler ihre Kunden weitaus besser kennen als Großunternehmen. “Sie sind viel näher dran.”
Doch auch in diesem Thema werden die klassischen CRM-Anbieter nicht alleine bleiben. Schon hat die Kinamu Business Solutions AG die Fährte aufgenommen. Das Wiener Unternehmen mit Filiale in München ging erst vor knapp einem Jahr an den Start und ist trotzdem schon ernst zu nehmen, denn die Firma wurde von ehemaligen SAP-Managern gegründet. Die haben es geschafft, im deutschsprachigen Raum der einzige Gold-Partner von SugarCRM zu sein. Außerdem spezialisierten sie sich direkt auf mittelständische Unternehmen. Der Kinamu Ansatz: Spitzentechnologie zum kleinsten Preis – ohne Fixkosten und ohne Risiko. Und der Mittelständler brauche gar nicht erst internes Spezialwissen aufbauen. Wenn möglich, basieren die angepassten CRM-Anwendungen auf Open-Source-Lösungen. Außerdem schlägt der Anbieter die Brücke zu ERP und SAP , falls vorhanden und gewünscht.
Fazit: Trend zu moderneren CRM- Systemen
Krieg im CRM-Markt
Der Trend geht also eindeutig hin zu intelligenteren CRM-Systemen. Das war schon auf der diesjährigen CRM Expo in Nürnberg auf vielen Messeständen zu spüren. Während Werkzeuge für die Datenverwaltung und die Anbindung an mobile Endgeräte praktisch schon zum Standard einer Kunden-Management-Software gehören, geht es für die Programmierer vor allem darum, die Abläufe im Vertrieb, Marketing und Service bei den Kunden besser zu unterstützen.
Im Vordergrund stehen da bessere Filtermechanismen und Eingaberegeln, um den Datenbestand sauber und aktuell zu halten. Die Bereinigung alter Stammdaten beschäftigt derzeit viele Unternehmen, die schon lange im CRM-Thema stecken.
Newcomer interessiert dagegen eher die Leichtigkeit des Seins: Flexible, g
ünstige, skalierbare und mobile Lösungen für den “Kunden 2.0”. Hier liegt offensichtlich die Zukunft, und hier tun sich die alten Schlachtschiffe der Branche anscheinend schwer, Ballast abzuwerfen, um manövrierfähiger zu werden. Im Gegenteil, statt dessen wollen einige Anbieter auch noch die Business Intelligence (BI) ins CRM-Boot holen. “Sie wird als eigenständiges Software-Thema aussterben”, orakelte gerade Thomas Deutschmann, CEO der Update Software AG. Na hoffentlich kriegen solche Mega-Systeme dann nicht Schlagseite. (rm)