Linux auf dem Business-DesktopOpen Source im Unternehmen
Deutsche Bahn, Boing und Daimler
Linux auf dem Business-Desktop
An Linux kommt keiner mehr vorbei, kein Anwender und kein Anbieter, kein Kleinunternehmen und kein Großkonzern. Open-Source-Software (OSS) ist mehr oder weniger umfangreich im Einsatz. So setzt die Deutsche Bahn für ihre 55 000 Anwender und 5500 Datenbanken verstärkt auf Linux als Server-Betriebssystem. Die Autovermietung Europcar migrierte tausend Arbeitsplätze von Windows zu Linux. Konzerne wie Daimler, Sony und Boeing haben Linux ebenso im Einsatz wie Yahoo, Cisco und Amazon. Selbst Behörden, riskanten Experimenten bekanntlich abgeneigt, fahren auf Linux ab. Die Stadt München steigt auf Linux um, die chinesischen Eisenbahnen migrieren auf Linux und sogar das US-Verteidigungsministerium schließt einen Linux-Rahmenvertrag. In erster Linie wird Linux für Infrastrukturdienste wie Firewall sowie Web-, Mail-, File- und Printserver eingesetzt. Im Desktop- Bereich haben sich Linux und OSS noch nicht auf breiterer Basis durchgesetzt. Und die Ansichten darüber, ob OSS den Sprung auf den Unternehmens-Desktop schafft, könnten kontroverser kaum sein.
Absolut unbrauchbar?
Linux auf dem Business-Desktop
Dirk Hohndel, langjähriger Technikchef bei Suse und jetzt Intels oberster Open- Source-Stratege, fuhr Desktop-Optimisten auf der letzten Linuxworld im vergangenen November gehörig in die Parade. »Linux auf dem Desktop ist weit davon entfernt, den Anforderungen der Benutzer gerecht zu werden«, sagte er. Es sei »absolut unbrauchbar «, wo Microsoft-Office-Dokumente verarbeitet werden müssen. Unproblematisch sind Linux-Desktops da, wo es nur um Dateneingabe geht, wo also im Prinzip wie zu Mainframe-Terminal- Zeiten Eingabefelder gefüllt werden. Das ist beispielsweise bei vielen Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung oder bei Banken, Versicherungen und im Handel der Fall. Analysten warnen vor allem vor den Migrationskosten: »Für die meisten Unternehmen sind die Kosten einer Migration weg von Windows einfach zu hoch, und sie fallen mehr ins Gewicht als die Vorteile, die Firmen mit Linux zu erzielen hoffen«, erklärt ein Gartner-Analyst. Eine ganze Palette von Nachteilen, so die Meinung der Analysten, würden die Migrationskosten in die Höhe treiben und die Ausbreitung von Linux-Desktops verhindern. Doch nicht alle teilen den Pessimismus von Hohndel oder Gartner. So stellten die Marktforscher von Techconsult mit 3,4 Prozent zwar nur einen geringen Anteil von Linux- Desktops in Deutschlands Unternehmen fest. Doch der Anteil soll in Zukunft kräftig steigen, IDC-Forscher erwarten ein Jahreswachstum von 44 Prozent. Und einige mittelständische Firmen wie der Pfannenhersteller Berndes oder der Geschenkeartikelversender Tröber haben Linux-Anwendungen auf dem Desktop schon jahrelang im Einsatz.
Desktops für Unternehmen
Linux auf dem Business-Desktop
Kommerzielle Interessen sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich die Nutzbarkeit von Linux-Desktops in letzter Zeit zügig verbessert hat. Die Reise dürfte mit unverändertem Tempo weitergehen, da besonders die Ausstattung größerer Einheiten mit Desktop-Linux ein interessantesGeschäft verspricht, wenn Nutzungs- und Migrationsbarrieren weiter abgebaut werden. OSS-Desktop-Betriebssysteme sind in der Regel Linux-Systeme, die aus einem Kernsystem und einer grafischen Bedienoberfläche bestehen. Die meisten Unternehmen setzen bei den Linux-Distributionen auf Suse oder Red Hat. Wer ganz unabhängig von kommerziellen Einflüssen sein will, verwendet in der Regel Debian. Die Distributionen bringen als grafische Oberfläche meist KDE oder GNOME mit. Für die tägliche Arbeit sind beide Oberflächen gleichermaßen gut geeignet, dennoch zeigen sich Unterschiede im zugrunde liegenden Nutzerkonzept und in Details. So empfiehlt sich KDE vor allem fürWindows-Umsteiger, da esWindows-affin ist und sich umfangreich konfigurieren lässt. GNOME setzt auf einen eher schlanken Desktop, dessen Bedienung und Nutzerkonzept sich vonWindows gravierend unterscheiden. Speziell für den Unternehmenseinsatz setzen Distributoren wie Novell, Red Hat oder Xandros auf den Unternehmenseinsatz zugeschnittene Bedienoberflächen ein ? Novell den Linux Enterprise Desktop (SLED), Red Hat das Enterprise Linux, Xandros den Professional Desktop 4. Diese Enterprise-Desktop- Systeme gehen gezielter auf die IT-Belange in professionellen Umgebungen ein, als dies bei den Standard-Desktop-Systemen möglich ist. ImIdealfall funktionieren die Enterprise- Systeme als Produktionsumgebung, enthalten keinen unproduktiven Schnickschnack, lassen sich einfach bedienen und schreiben sich auch den Anschluss an die Windows-Welt auf die Fahne.
Bild: Distributoren wie Red Hat bieten auf den Unternehmenseinsatz zugeschnittene Enterprise-Systeme
Office-Anwendungen
Linux auf dem Business-Desktop
Das häufig gehörte Argument fehlender Linux-Anwendungsprogramme trifft für die meisten Unternehmen ins Leere. Zwar gibt es in vielen Bereichen nicht die Software- Vielfalt der Microsoft-Welt. Doch die Basisausstattung ist für 90 Prozent aller Arbeiten am Linux-Desktop gegeben. Die meisten Open-Source-Anwendungen decken die Standardanforderungen des Büroalltags ab. Dazu zählen Office-Anwendungen, Browser,Mail-Systeme und Groupware- Clients. Für viele dieser Bereiche stehen mehrere unterschiedliche Anwendungen bereit, auch wenn sich oft ein oder zwei klare Favoriten herauskristallisiert haben. KOffice etwa ist interessant für Unternehmen, die eine schlanke, leicht handhabbare Büro-Software-Sammlung suchen. Sie bietet sich aufgrund der guten Integration in KDE besonders für den KDE-Desktop an. In keiner anderen Büro-Suite greifen die Komponenten so nahtlos ineinander. VomFunktionsumfang her kann KOffice mit dem Boliden OpenOffice allerdings nicht mithalten. Wenn Sie Wert auf einen möglichst unproblematischen Datenaustausch mit derWindows-Welt legen, eine enge GUIAnlehnung an MS Office oder die VBA-ähnliche Makrosprache benötigen, dann kommen Sie derzeit an OpenOffice nicht vorbei. Die Komplettlösung lässt vom Funktionsumfang kaum etwas offen und hat unter Linux einen ähnlichen Stellenwert wie Microsoft Office bei Windows.
OpenOffice und StarOffice
Linux auf dem Business-Desktop
Mit dem aktuellen Release 2.x steht OpenOffice auf einer Stufe mit MS Office, erklärt Thomas Warnecke, IT-Leiter beim mittelständischen Kunststoffhändler q-tec. Dort verrichten etwa 30 Desktop-PCs ihre Arbeit unter Suse Linux und OpenOffice. »Hier und da gibt es noch einige Schwachstellen, die man aber erst bei der täglichen Arbeit mitbekommt. So lassen sich etwa in Calc Zellen immer noch nicht parallel und gleichzeitig formatieren.« Im Großen und Ganzen aber ist Warnecke mit dem kostenlosen Büroprogramm zufrieden. Als positiv empfindet Warnecke besonders die gute Angleichung an Microsoft Office. »Man merkt bei der neuen Version, dass sich die OpenOffice-Entwickler sehr stark an Microsoft Office 2000 orientiert haben. Das finde ich einerseits schade, aber für den einzelnen User ist es besser. Viele haben zu HauseMS Office, und da fällt die Umstellung dann nicht so schwer.«
Netzbasierte Applikationen
Bild: Die PIM-Suite KDE Kontact kann als Client für verschiedene Groupware-Server verwendet werden
Cross Platform Applications
Linux auf dem Business-Desktop
Viele Desktop-Anwendungen sind Cross Platform Applications. Sie stehen für mehrere Betriebssysteme zur Verfügung. So laufen etwa Thunderbird, Mozilla und OpenOffice. org gleichermaßen auf Linux wie auf Windows. Cross Platform Applications haben zwei entscheidende Vorteile: Sie erleichtern sowohl den Umstieg auf Linux als auch den Betrieb i
n heterogenen Umgebungen. Da in beiden Fällen die gleichen Programme gleichzeitig auf unterschiedlichen Plattformen zur Verfügung stehen, standardisieren sie die Software-Umgebung, minimieren Support- und Wartungskosten und vereinfachen den Austausch von Daten. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei OpenOffice beziehungsweise das auf dem gleichen Code basierende StarOffice. Da das Programm unterWindows und Linux zur Verfügung steht, kann es als Schnittstelle zwischen diversen Datenformaten dienen. Besonders bei der Dokumenten-Migration ist OpenOffice ein wertvolles Werkzeug: Es unterstützt die Dateiformate vonMS Office, so dass sich vorhandene Dokumente oder solche von Partnern oder Kunden mit dem Programm öffnen und bearbeiten lassen.
Wo Linux-Software fehlt
Linux auf dem Business-Desktop
Leistungsmäßig brauchen sich Linux- Anwendungen hinter Microsoft-Programmen nicht zu verstecken. Office-Suiten und netzorientierte Programme wie Browser und E-Mail-Clients schneiden in vielen Tests mindestens so gut, wenn nicht sogar besser ab als proprietäre Alternativen. Die Berlecon- Studie »Open Source Strategien« beurteilt die Reife internetbasierter Linux-Anwendungen »im Rahmen klar strukturierter Aufgaben « als gut. Einen Schwachpunkt sehen die Analysten derzeit noch bei spezieller Software. In einigen Segmenten gibt es zwar auch hier gute bis sehr gute Programme. Man denke nur an die Bildbearbeitung The GIMP. Doch die große Auswahl haben Linux- Anwender nicht. In anderen Bereichen fehlen Linux-Alternativen ganz. ImBereich Konstruktion klafft eine Lücke bei CAD-Software, und eine leistungsfähige Projektverwaltung wie Microsoft Project fehlt ebenso. Auch bei der Unterstützung von Unternehmensprozessen sind kaum Linux-Applikationen vorhanden. Firmen, die auf die Anwendung von Datev-Programmen angewiesen sind, müssen auf den Einsatz von Linux zur Zeit noch verzichten. Auch einigen Branchenlösungen fehlt gegenwärtig noch der Support für Linux-Clients. Hier wird die Situation aber zunehmend besser. Viele Anbieter gehen dazu über, neue Versionen betriebssystemunabhängig zu entwickeln.
Windows-Anwendungen unter Linux nutzen
Linux auf dem Business-Desktop
Sollte zu einem Windows-Programm kein Linux-Pendant gefunden werden, muss entweder speziell für diese Anwendung ein Windows-Rechner bereitgestellt werden, oder Sie stellen die Windows-Applikation mit Tricks unter Linux zur Verfügung. Dazu gehören etwa Werkzeuge wie Wine oder CrossOver Office, das die Ausführung von Windows-Programmen direkt unter Linux ermöglicht. Oder Sie setzen auf virtuelle Maschinen wie VMware oder Xen, die es erlauben, eine komplette Betriebssystemumgebung zu emulieren. Bei der Tröber GmbH nutzt IT-Leiter Günter Stoverock CrossOver Office. »Photoshop und der Adobe Destiller zur PDF-Erstellung laufen etwa nur unter Windows«, erklärt Stoverock. »Auf einigen Rechnern müssen wir außerdem im Rahmen der Paketverfolgung den Internet Explorer unter CrossOver Office aufrufen. Mit dem Mozilla- Browser funktioniert das nicht überall.« Ähnliche Probleme gab es beim Pfannenhersteller Berndes, der seine IT komplett auf Linux-Thin-Clients umstellte. Fünf Windows- Rechner gibt es dort weiterhin für Anwendungen, für die es keine Linux-Programme gibt. Das ist unter anderemein Postetikettenprogramm und Quark XPress, das im Marketing verwendet wird.
Empfehlenswerte Linux-Anwendersoftware
Linux auf dem Business-Desktop
Office-Programme
– OpenOffice.org umfangreiche Office-Suite à la MS-Office www.openoffice.org
– KOffice KDE-Office-Suite www.koffice.org
Webbrowser
– Mozilla umfangreiche Internet-Suite www.mozilla-europe.org/de/
– Firefox Browser auf Mozilla-Basis www.mozilla-europe.org/de/
E-Mail
– KMail KDE-Mail-Client http://kmail.kde.org/
– Mozilla Thunderbird Mail-Client des Mozilla-Projekts www.mozilla-europe.org/de/
Groupware
– Novell Evolution komfortabler, Outlook-ähnlicher PIM www.novell.com/products/desktop/features/evolution.html
– Kontact KDE-Gegenstück zu Evolution, modular aufgebaut http://kontact.kde.org/
Grafik/Bildbearbeitung
– XnView vielseitiger Linux-Viewer www.xnview.com
– GIMP der Standard unter Linux www.gimp.org
Kaufmännische Software
– GnuCash Finanzbuchhaltung für kleine Betriebe www.gnucash.org
– Cao-Faktura Warenwirtschaft www.cao-faktura.de
– Taxbird Steuersoftware www.taxbird.de
– Moneyplex, Starmoney Homebanking www.starmoney.de
Sonstiges
– xPDF schlanker PDF-Viewer www.xpdf.com
– Ghostscript PDFs erzeugen www.cs.wisc.edu/~ghost/
– GanttProject professionelle Projektplanung http://ganttproject.sourceforge.net/