Neue Office-“Ribbons” zwingen zum UmdenkenWid die neue Nutzerführung in Office 2007 zu kostspielig?
MS-Software hat uns auf Menüs trainiert wie die Äffchen
Neue Office-“Ribbons” zwingen zum Umdenken
Vorigen Monat habe ich ein kurzes Experiment mit Microsofts neuem Office 2007 durchgeführt: Ich gab die Software einem typischen ahnungslosen Computerneuling, der bislang diese Software oder sein neuartiges Interface noch nie benutzt hat: MIR.
Mein erster Eindruck war, dass dieses “Band” für diejenigen verwirrend sein kann, die auf das Ausklappen von Menübäumen trainiert sind. Mein zweiter Eindruck war, dass Firmen, die Office 2007 einsetzen, etwas tun müssen, was ihnen wohl schwer im Magen liegt: Zeit und Geld in Ausbildung der Mitarbeiter stecken.
Mir waren die alten Menüs keineswegs unangenehm. Deshalb schien es mir, dass Microsoft irgendwie darin geschwelgt hat, das Fahrrad neu zu erfinden. Was haben sich Microsofts Experten für das Benutzerinterface dabei gedacht, als sie die vertraute Struktur auf den Müll wandern ließen?
Statistiken trieben MS zum Nachdenken
Neue Office-“Ribbons” zwingen zum Umdenken
In einem der vielen offiziellen Microsoft-Blogs kann man Antworten finden – speziell in den Beiträgen von Jensen Harris, Leiter des speziellen MS-Entwicklungsteams für Nutzerführung. Er hat eine achtteilige Erläuterung geschrieben, mit dem Titel “The Why of the New UI” (eingedeutscht: Das “Warum” des neuen Benutzerinterfaces). Darin werden äußerst faszinierende Informationen vermittelt.
So sind beispielsweise die meistgenutzten Befehle in Word 2003 Einfügen, Speichern, Kopieren, Rückgängig machen und Fettdruck. Diese fünf stellen ein Drittel aller Befehle der Nutzer dar. Noch überraschender als die Tatsache, dass “rückgängig” nicht an erster Stelle steht, ist das Wissen, dass Microsoft über diese Zahlen überhaupt verfügt. Sie kommen natürlich von den optionalen Feedback-Agenten in ihrer Software.
Ebenso erleuchtend ist eine grafische Darstellung der wesentlichsten Menüpunkte in aufeinander folgenden Versionen von Word (50 Befehle in Word 1.0; ca. 270 in Word 2003).
Die Studie echter Nutzergewohnheiten und das Wissen, dass Office und insbesondere Word mittlerweile zu aufgebläht waren, entfesselte die Kreativität der Programmierer. Die Revolution beim Organisieren und Präsentieren der Office-Funktionen beruhte also auf Fakten.
Office-Änderungen: Ist die Presse schuld?
Neue Office-“Ribbons” zwingen zum Umdenken
Allerdings sollte man hier genau hinsehen: In Wirklichkeit meint Harris, dass die erforderliche Komplexität “irrtümlich” als Aufgeblähtheit empfunden wurde: “Die Presse der Industrie hat angefangen, Artikel mit der Andeutung zu veröffentlichen, dass Office ‘aufgebläht’ sei. Tatsächlich waren die Programme selbst nicht aufgebläht”, behauptet er.
Dabei zitiert er eine lange Liste mit gewünschten Funktionen, die darauf hindeuten, “dass die Leute von uns erwarten, mehr zu tun”.
Ich selbst glaube, dass Office wirklich zu aufgebläht ist. Es ist ein Universalprogramm mit der Bürde, unzählige Spezialaufgaben lösen zu müssen. Für mein Empfinden wäre eine besser abrufbare und schrittweise Installationsmöglichkeit einem neuen Benutzerinterface vorzuziehen gewesen.
Abgesehen davon findet man auch ein paar verblüffende Zugeständnisse in Harris? Blog. Die adaptiven Menüs in Windows XP, die als eine wunderbare Möglichkeit zur Beherrschung der Komplexität gepriesen wurden, “waren nicht erfolgreich” und man verwarf sie. Harris verteidigt jedoch deren Entwicklung und meint “Wir analysieren dies auf der Basis heutiger Einsicht”.
Da frage ich mich nun doch, mit welcher Weisheit der Einsicht man dem neuen “Ribbon” beikommen kann.
Die Redaktion PC Professionell hat Office 2007 getestet und tatsächlich eine Steigerung der Effektivität festgestellt. Doch auch hier mussten die Schreiberlinge erst einmal lernen. Mit einer Lehrzeit müssen also alle rechnen, die auf das neue System umstellen.
Ich nutze übrigens inzwischen Wordpad – das reicht mir zum Schreiben.