Entwicklung von Standards nie vorhersehbarAuf dem Weg zu besseren Normen
Marketingversprechen haben keinen Einfluss
Entwicklung von Standards nie vorhersehbar
Festplatten sind auf dem absteigenden Ast, behaupteten die Hersteller von Flash-Memories – nichtflüchtigen Speichern – auf der Computex in Taipei. Die Kapazitäten von Top-End Flash-Laufwerken erreichten vor kurzem 16 GByte, jetzt bereits jetzt 64 GByte, und dieser Technologie ist es bestimmt, die Bauweise von Computern zu revolutionieren.
Nun ja, vielleicht. Sofort als ich hörte, dass den Festplatten das Aus droht, dachte ich: “Was, schon wieder?” Zu Beginn der 90er Jahre behaupteten die Hersteller von Magneto-Optical-Laufwerken das Gleiche. Die zwei großen Hindernisse bestanden darin, dass die neuen Teile langsam und teuer waren – und Flashmedien sind ganz sicher äußerst kostspielig.
Blickt man zurück so erscheint es lachhaft, dass Magneto-Optical-Laufwerke jemals dazu gedacht waren, einen anderen Zweck zu erfüllen als die Archivierung. Aber man nehme nur die gegenwärtige Popularität von LCD-Monitoren: Anfang der 90er wurde ebenfalls behauptet, dass die LCD-Displays die CRT-Monitore vom Schreibtisch verdrängen werden. Was habe ich damals gespottet: Die LCD-Technologie war langsam und kostspielig, während das billige CRT eigentlich eine De-facto-Norm war.
Normen: de facto gegen de jure
Entwicklung von Standards nie vorhersehbar
Aus diesem Beispiel kann man Lehren ziehen. Erstens bin ich ein hoffnungsloser Fall, wenn es darum geht, den nächsten “Knüller” vorauszusehen. Zweitens: Sowohl Preis als auch Leistung mögen unwichtig sein, wenn man eine andere Art von begehrenswertem Nutzen verkauft. Drittens, de facto Normen können sich aus einer bloßen Laune heraus ändern.
Echte Normen – de jure Normen – werden von Körperschaften aus der Industrie festgelegt und basieren im Allgemeinen auf offen publizierter Technologie. Sie sind darauf ausgerichtet, der Industrie als Ganzes zu nutzen. Einer de facto Norm wiederum liegt oft eine Technologie zugrunde, die wie ein Augapfel gehütet wird und ihre Anwendung zielt einzig und allein darauf ab, dem Besitzer Geld einzubringen.
Kampf um den wirklichen standard
Entwicklung von Standards nie vorhersehbar
Aber man kann zwischen Adobes SVG-Format (offen, kostenlos und de jure) mit den Formaten Flash oder PDF (nur teilweise offen, kommerziell und de facto) mal einen Vergleich anstellen. PDF ist ein etwas schwieriges Beispiel, da Adobe Jahre damit zugebracht hat, das Format voranzubringen. Auch wurde die Spezifikation veröffentlicht, um Entwickler von Dritt-Parteien zu ermutigen, das Format zu unterstützen. Gleichzeitig versuchte man die Eigentumsrechte daran zu behalten. Mittlerweile sind de jure Normen für die Funktion PDF-Export festgelegt worden, obwohl PDF im Wesentlichen Privateigentum bleibt.
Geht man davon aus, dass PDF die Welt erobern will, ist es kein Wunder, dass Microsoft angesichts der Forderung verblüfft war, dass die Funktion “Exportieren-zu-PDF” aus der Lieferversion von Office 2007 entfernt werden sollte. Adobe befürchtete, dass die Einbeziehung von PDF in Office eine so starke de facto Norm werden könnte, dass die Verkäufe der eigenen Acrobat-Software darunter leiden müsste. Aber diese Befürchtung hat Adobe, nachdem sie in der Presse zu lesen war, schnell dementiert – was eigentlich bedeutet, dass sich das Unternehmen wirkich fürchtet.
Wir lernen also noch Punkt vier: De facto Normen sind nicht frei von kommerzieller Einmischung. Adobes Haltung birgt also die Gefahr, dass Unternehmen sich von der PDF/A-Norm zur Archivierung von Dokumenten abwenden – das könnte also nach hinten losgehen. Und Microsoft wird wahrscheinlich sowieso froh sein, wenn seine eigenen Dateiformate die bevorzugte de facto Norm für Dokumente bleiben. Microsofts neue Ersatzideen für Aobes PDF könnten bei ausreihender Öffnung dann doch wieder Chancen haben. Warten wir’s ab.