Feinste Netzwerktechnik in der Allianz Arena
Hightech-Fußballtempel

Netzwerke

Kickertempel mit moderner IT

Feinste Netzwerktechnik in der Allianz Arena

Glasfaser-Ringe, Gigabit-Ethernet, Voice over IP, Datenbank- und Intranet-Server, hunderte von
Wireless-LAN-Access-Points, Firewalls und
Live-Video-Streams Schlagworte, die allen Technik-Fans bestens vertraut sind.

Gleichzeitig hatten diese Techniken aber bisher so gar nichts in einem Fußballstadion verloren. Die Betonung liegt auf bisher. Denn bei der Planung der neuen Münchner Fußball-Arena saßen nicht nur Architekten, Sicherheitsexperten und Vereinsfunktionäre zusammen. Auch die IT-Experten der Firma BTD waren von Beginn an mit im Boot und halfen, den spöttisch »Kaiserklo« genannten Kickertempel mit moderner IT auszustatten. Der Grund dafür ist aber nicht die Technikverliebtheit bei den Chefs von FC Bayern und TSV 1860 München.

Vielmehr galt es, die hohen Anforderungen der Fifa an ein WM-Stadion umzusetzen. »Hätten wir nicht die WM 2006 in der Arena, die IT-Investitionen wären um 25 Prozent geringer ausgefallen«, so BTD-Geschäftsführer Stefan Leibhard gegenüber PC Professionell. Nachdem aber schon vor Baubeginn feststand, dass die Arena WM-Stadion wird, waren die Kosten einkalkuliert.

Hohe Anforderungen der Fifa

Feinste Netzwerktechnik in der Allianz Arena

Vor allem die hohe Redundanz aller wichtigen Komponenten ist eine Forderung des Fußball-Weltverbandes die gleichzeitig immens ins Geld geht. Alle vitalen Einrichtungen wie die Glasfaser-Internetanbindung, die Stromversorgung oder die Telefonanlage sind mehrfach vorhanden und auf Serverräume im Keller und unter dem Dach verteilt. 99,99 Prozent Verfügbarkeit fordern die Fifa-Pflichtenhefte.

Auf ein Diesel-Aggregat zur Notstromerzeugung verzichten die Techniker beim offiziell Allianz Arena getauften Stadion. »Wir haben stattdessen zwei verschiedene Stromlieferanten. Dass beide gleichzeitig Lieferprobleme haben, ist mehr als unwahrscheinlich«, so Leibhard weiter. Trotzdem mag er nicht ausschließen, dass die sicherheitsverliebten Fifa-Offiziellen vor Beginn der WM doch noch ein solches Aggregat fordern.

Netzwerktechnik vom Feinsten

Feinste Netzwerktechnik in der Allianz Arena

»Jeder Dienst an jeden Ort«: Das war die Devise bei der Verkabelung der Arena. Zu den Diensten gehören auch bandbreitenhungriges Video-Streaming, Voice-over-IP-Telefonate oder ganz normale Intra- und Internetzugänge. Und dies an bis zu 6000 Arbeitsplätzen so viele Ethernet-Ports gibt es in der Arena. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, setzt BTD durchgehend auf Gigabit-Ethernet über Kupferkabel (Cat 6/7). Die Kabel führen zu Netzwerk-Switches, die auf klimatisierte Server-Räume verteilt und jeweils mehrfach redundant per Glasfaser an das Backbone angeschlossen sind.

Einzig die Überwachungskameras haben eine eigene Verkabelung. Schließlich wollen die Sicherheitsbehörden niemandem Einblick in ihre Installationen geben. Leibhard weiß somit auch nicht, ob die Polizei beispielsweise eine Echtzeit-Gesichtserkennung macht. Die Auflösung der Kameras sei dafür aber in jedem Fall hoch genug.

Technik-Schau

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Die Server in den Räumen laufen durchweg unter Windows Server 2003 und Debian-Linux. Den BTD-Technikern wäre nicht zuletzt aus Kostengründen eine homogene Linux-Welt lieber gewesen. Aber einzelne Server-Anwendungen wie die Drehkreuz-Steuerung setzen Windows-Server voraus.
Darüber hinaus läuft im Stadion alles, was der Software-Markt so hergibt. Neben Oracle- und MySQL-Datenbanken finden sich Apache-Webserver und das komplette Microsoft-Server-Portfolio: Über Exchange und SMS (System Management Server) bis hin zu MS SQL und dem Internet Information Server ist alles am Start.

Außerdem gibt es im ganzen Stadion ein Dual-Mode-WLAN (802.11a/b/g) sogar am Anstoßpunkt ist das Funksignal empfangbar. Hauptsächlich für Fotojournalisten gedacht, die per WLAN ihre großen Digitalbilder direkt vom Spielfeldrand in die Redaktionen schicken sollen, kann das Funknetz später auch für Stadionbesucher geöffnet werden. Man sei in Verhandlungen mit Hot-Spot-Betreibern wie T-Mobile und Vodafone, so Leibhard. Da die Telekom bereits Bayern-Sponsor ist, dürfte die Mobilfunktochter das Rennen machen und ab der nächsten Bundesliga-Saison Bezahl-WLAN anbieten.

Dann können Fußballfans mit WLAN-PDAs oder -Smartphones Infos über Stadion und Spiel abrufen. Oder einfach online gehen und ein Fankurven-Live-Blog füttern. Insgesamt versorgen über 170 Cisco-WLAN-Access-Points das Riesengebäude. Wobei sieben für den Stadion-Innenraum genügen.

Keiner kommt rein…

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…zumindest nicht, ohne dass ein Datenbank-Server davon weiß. Dies ist ein weiteres Novum für ein Fußballstadion: Alle Drehkreuze und Kassensysteme rund um das Gebäude sind zweifach redundant per Ethernet mit dem arenaeigenen Rechenzentrum verbunden. So können die auf dem Ticket gespeicherten und kontaktlos per RFID abgerufenen Daten mit der Datenbank abgeglichen werden, um die Echtheit der Eintrittskarte zu überprüfen, Mehrfacheintritte mit ein und der selben Karte zu verhindern oder VIPs den Zutritt zu ihren Logen zu sichern.

Außerdem werden im Stadion alle Zahlungsvorgänge bargeldlos ablaufen Bier, Bratwurst und Parkhaus werden per Chipkarte bezahlt, die an Kassen vor den Stadiontoren aufgeladen wird. Die Infos über die Finanztransaktionen laufen ebenfalls über das Netzwerk, so dass die Kioskbesitzer vom Stadionbetreiber auch echte Euros anstatt der virtuellen »Stadiondollars« bekommen.

Keine Datenspionage

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Bei der ersten Bewährungsprobe Ende Mai erzeugten die Drehkreuze und Kassen ein Datenvolumen von 400 Megabit pro Sekunde kein Problem für die Datenbank-Server. Schließlich sei das System dafür ausgelegt, eine weitere Fifa-Forderung zu erfüllen: In den letzten 30 Minuten vor Spielbeginn müssen 50 Prozent aller Zuschauer, also 33 000 Menschen, in die Allianz Arena strömen können. Flaschenhälse durch zu langsam angebundene Drehkreuze sind laut Leibhard dabei nicht zu erwarten.

Und auch vor Datenspionage hat der IT-Verantwortliche keine Sorge. Zwar sind beispielsweise die Dauerkarten personalisiert. Ob und wo der Fan damit Getränke oder Olli-Kahn-Devotionalien bezahlt, bleibt dem System aber verborgen. Laut Leibhard findet kein Abgleich zwischen den Personen- und den Finanzdaten statt, wie er beispielsweise bei Rabatt-Systemen passiert. Wobei das technisch auch im Stadion ohne weiteres möglich wäre. Allen Fußballfans, die um die Wahrung ihrer Privatsphäre besorgt sind, bleibt die Hoffnung, dass Payback & Co. dem Fußball so lange fern bleiben, wie das Glasfaser & WLAN getan haben.

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