Standortpolitik made in Germany
Wie die geplante Urheberrechtsnovelle zum Wettbewerbsnachteil für Deutschland mutiert
Standortpolitik made in Germany
Am Anfang war der gute Wille: Die Verwertungsgesellschaften wollten allen Urhebern nicht weniger als die totale Gerechtigkeit schenken und zogen für hohe Kopierabgaben gegen die Computer-Branche vor Gericht. Im Schiedsspruch des Musterprozesses zwischen Fujitsu-Siemens und den Klägern wollte das Landgericht München die Kopierpauschale auf 12 Euro je PC begrenzen. Der Kompromiss vom Ende des vergangenen Jahres reicht den Klägern aber noch lange nicht. Sie hatten satte 30 Euro pro Gerät gefordert und gehen in Revision. Mehr noch: Die Rächer der Opfer der illegalen Kopie forderten rückwirkend zum Januar 2001 zusammen insgesamt über 48 Euro Kopierabgabe für jeden in Deutschland verkauften Rechner. Wie selbstverständlich schloss sich dem edlen Ansinnen auch die ja stets gutmeinende Bundesregierung an, deren Justizministerium den 2. Korb der Urheberrechtsnovelle formulierte.
Ganz klar: Wir Hersteller halten überhöhte Kopierpauschalen für unannehmbar und das hat gute Gründe.
Um eines deutlich zu sagen: Niemand, wirklich niemand auf Seiten der Unternehmen bestreitet das Anrecht der Urheber auf eine angemessene Entschädigung. Darüber hinaus haben sich die bestehenden Kopierpauschalen auf digitale Geräte durchaus bewährt. Die Abgabe auf CD-Rekorder beispielsweise beträgt seit Jahren 1,28 Euro und ist für alle Seiten verträglich. Jetzt aber sind wohl größere Begehrlichkeiten geweckt und die Verwertungsgesellschaften hoffen auf exorbitante Summen: Sie wollen plötzlich das X-fache der Abgaben auf Komponenten für PCs und Drucker. Zum Beispiel die lange bestehende Abgabe für DVD-Brenner, immerhin 9,21 Euro hoch, galt bis dato immer als das Ende der Fahnenstange. Nun aber soll sie noch getoppt werden. Und das, obwohl ein PC für sich – also ohne Brenner gar nicht zum Vervielfältigen taugt.
Zuviel ist zuviel!
Ganz abgesehen von der rechtlichen Unsicherheit, welches Gerät jetzt eigentlich nur “zum Kopieren geeignet” und welches tatsächlich “zum Kopieren bestimmt” ist: IT funktioniert oft nur in Kombination und Vernetzung. Wer sich ein neues Komplettsystem nach Hause oder gewerblich in die Firma holen will, der zahlt in Deutschland jetzt schon hohe Abgaben im Zuge des Urheberrechts. Addiert man gar bestehende und geplante Kopierabgaben für Rechner, Komponenten und Drucker, so summieren sich zusätzliche Kosten von 80 Euro und mehr, welche allein der Verbraucher zu tragen hätte. Belastungen, die in keinem Verhältnis zum in der Summe geringen Kopiernutzen stehen.
Der Kunde aber ist nicht “blöd”. Schnell wird man hierzulande merken, dass die Urheberrechtsabgaben in dieser Form eine rein deutsche Spezialität sind. Rechner und Systeme im Ausland sind davon nämlich gänzlich unbelastet und deshalb um einiges billiger. Und eines ist klar: Die Menschen sparen, wo sie können. Wohl besonders dann, wenn ein und dasselbe Produkt in zwei Ländern unterschiedlich viel kostet. Eine künstliche Preissteigerung im IT-Sektor hätte deshalb zweifellos zuerst eine Folge: Übermäßig abgabenbelastete Geräte würden zukünftig via Internet eben aus dem Ausland geordert.
Urheberrechtsnovelle 2 vertreibt Hersteller
Eine solche Änderung des Verbraucherverhaltens zöge fatale Konsequenzen nach sich: Die Kettenreaktion aus sinkender Inlandsnachfrage und Umsatzrückgang würde Unternehmer wie Arbeitsplätze in Scharen über die Grenze treiben. Kleine PC-Assemblierer, die sich sicherlich in den seltensten Fällen mit Rückstellungen auf die Abgabe vorbereiten konnten, würden reihenweise in die Pleite oder in die Illegalität gedrückt. Die Fachleute rechnen in diesem Bereich mit dem Verlust von mindestens 20 000 – in Worten: Zwanzigtausend -Beschäftigungsverhältnissen. Hinzu kämen dann auch Abermillionen an Steuerausfällen für Vater Staat und eine weitere Belastung der Sozialkassen.
Es ist nicht lange her, da wurde das Internet als Tor zum Wissensstand der Welt gesehen. Jeder sollte einen möglichst einfachen Zugang dazu erhalten. Das alles zählt im Jahre 2005 nichts mehr: Die lang beschworene digitale Freiheit soll auf dem Altar eines kontraproduktiven Alleingangs geopfert werden. Und: Per Staatseingriff soll die IT-Industrie für Fehler der Musik- und Filmindustrie büßen, die heute erst beginnen, intelligente Geschäftsmodelle zu entwickeln. Der Bereich des “Digital Rights Management” wurde genau von jenen vernachlässigt, die heute von hohen Kopierabgaben profitieren. Ihre jahrelangen Versäumnisse waren es, die in der Kopierproblematik überhaupt erst Handlungsbedarf erzeugten.
Am Ende aber ist alles wie immer:
Die Zeche zahlen die Verbraucher, Hersteller und Arbeitnehmer im eigenen Land. Herzlichen Glückwunsch, Standort Deutschland!
Der Autor:
Oliver Ahrendt ist Geschäftsführer der Acer Deutschland GmbH. Das Unternehmen mit Unternehmenszentralen in Taipeh, Kuala Lumpur, San José, Mailand und Lugano ist heute einer der weltweit größten PC- und Notebook-Anbieter. Das Unternehmen entwickelt und vertreibt Notebooks, PCs, Displays, Server und Peripherieprodukte sowie Produkte für den Bereich Home Entertainment.
Frontal diskutieren:
Der Autor ist eine wichtige Stimme aus der Branche und rechnet als einer der ersten aus, mit welchen Problemen der IT-Standort Deutschland kämpft.
Beiträge zum Thema finden Sie auch in usnerem Satire-Weblog “Bootsektor” sowie in unserem Branchen-Weblog IT Frontal. Diskutieren Sie mit: Bringen die Abgaben vielen IT-Kollegen die Arbeitslosigkeit oder machen die fehlenden Abgaben Künstler und Autoren brotlos?