Der Umgang mit Technik
Sicherheit tötet Innovation
Interview
Der Umgang mit Technik
PC Professionell: Wie kommen Entwickler auf innovative Produkte?
Groth: Sie müssen die Kunst beherrschen, Ideen aus fremden Bereichen für eigene kreative Prozesse zu nutzen. Und sie dürfen nicht nur auf die Funktion achten.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Wir denken zurzeit über einen Prozessor nach, bei dem zwei Chips aneinander geklebt werden. Stellen Sie sich zwei Schachbretter vor, bei denen ein schwarzes Feld jeweils einem weißen Feld gegenüberliegt. Nur dass es sich eben um Transistoren handelt. Wenn Sie dann Spannung anlegen, konfiguriert sich der Prozessor selbst.
O.K., aber was soll das bringen?
Sie brauchen kein Housing, keine Drähte, keine Pins. Das bringt Einsparungen von bis zu 97 Prozent beim Stromverbrauch. Und Sie können extrem hohe Taktraten erreichen.
Das größte Problem der IT-Branche sind aber nicht Taktraten, sondern das ist die PC-Sicherheit.
Immer wenn der Branche nichts mehr einfällt, fängt man an, über Sicherheit zu diskutieren.
Das müssen Sie uns erklären?
Das ist ein Phänomen der Technik-Geschichte. Als Autos eingeführt wurden, waren die Menschen fasziniert. Kaum hatte man sich an die Neuigkeit gewöhnt, begann man über die Risiken zu diskutieren und hat Verkehrsregeln eingeführt. In der nächsten Phase wurden die Autos immer schneller. Wieder waren die Leute begeistert. Als sich die schnelleren Autos etabliert hatten, setzte wieder eine Diskussion über Unfallrisiken ein. Daraufhin haben die Ingenieure Knautschzonen eingebaut, als nächste Innovation kam der Sportwagen usw. Bei Computern ist dieser Wechsel von Innovation und Diskussion über Risiken auch zu beobachten.
Heißt das, es fehlt an Innovationen?
Zumindest zeigt das ständige Gerede über Viren, Trojaner und Würmer, dass es an der Zeit ist, wieder mal was Neues zu machen.
Das ist dann der Job der Entwickler.
Nein, jede Innovation beginnt mit den Leuten, die man gerne als Spinner bezeichnet. Innovationszyklen teilen sich in mehrere Phasen. Zuerst sind es nur ein paar Spinner, die eine Idee haben, beispielsweise LAN-Partys übers Handy. Dann kommen ein paar Kreative dazu, dann wird eine kleine Firma gegründet. In der nächsten Phase kommen die ersten Presseberichte über die Freaks, die ein cooles Ding drehen. Jetzt werden die Banken aufmerksam und Venture-Kapital fließt. Spätestens hier erreicht der Hype einen Höhepunkt. Zeitschriften wie PC Professionell schreiben ständig darüber und große Unternehmen entwickeln eigene Produkte dafür.
Am Ende tritt ein Sättigungseffekt ein.
Genau, die Innovation hat sich verbraucht, der Hype ist vorbei und alle fangen an, über Probleme und Gefahren nachzudenken.
Aber Firmen und Privatanwender bleibt doch gar nichts anderes übrig, als sich mit den Gefahren zu beschäftigen.
Das hat aber Nachteile. Man kann entweder sehr viel Spaß haben oder sehr viel an Sicherheit denken. Beides zugleich geht nicht.
Unternehmen sind nicht zum Spaßhaben da, sie wollen Geld verdienen und müssen deshalb ihre Daten schützen.
Einverstanden, aber ersetzen Sie das Wort »Spaß« durch das Wort »Flexibilität«, dann haben wir das Problem auf den Punkt gebracht. Die Fixierung auf IT-Security lähmt die Produktivität. Innovation und Sicherheit schließen sich aus. Wenn Sie auf das letzte Quäntchen Sicherheit verzichten, gewinnen Sie eine Menge Handlungsfreiheit.
Was soll der Admin eines Unternehmens konkret tun?
Er hat im Prinzip zwei Möglichkeiten: entweder galvanisch entkoppeln, das heißt, er kappt einfach die Leitung ins Web. Oder sich in der Masse verstecken. Er verzichtet auf eine proprietäre Mail-Lösung und richtet für jeden Mitarbeiter ein Postfach auf Yahoo, Web.de oder GMX ein. So kann sich die Firmenkorrespondenz in der Masse verstecken. Und um die Sicherheit kümmert sich Yahoo.
Admins werden Sie mit solch radikalen Ideen nicht überzeugen.
Es geht mir nicht darum, fertige Lösungen zu bieten, dafür gibt es Firmen wie Symantec. Unser Job bei Sun ist es, Probleme auf der Meta-Ebene zu lösen und für neue Denkansätze zu werben.
Apropos neue Denkansätze, wir nennen Ihnen jetzt ein paar aktuelle Trends. Bitte sagen Sie uns, was der Chief Visioneer davon hält. UMTS?
Hält technisch nicht das, was es verspricht. Denn UMTS hat genau in dem Bereich Schwächen, wofür es gemacht wurde, nämlich in der Bewegung. UMTS im ICE funktioniert extrem schlecht.
VoIP?
Da sehe ich gute Chancen. Ich kann diese Kommunikationstechnik nämlich in ein System integrieren, das ebenfalls der Kommunikation dient, nämlich den Internet-PC.
sHome Entertainment?
Funktioniert nur, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind: Die Komponenten müssen modular integrierbar sein. Lüfter sind verboten, schließlich steht das System im Wohnzimmer. Es darf nicht aussehen wie ein PC und muss sich ins Home-Ambiente einfügen.
Apples iPod?
Stylish und hat gleichzeitig einen Technik-Touch. Apple ist auf dem richtigen Weg.
Multimedia-PC bei Aldi & Co?
Der wird reflexartig gekauft wie eine Tüte Milch. In der Overlay-Struktur der virtuellen Familie ist das aber nur ein kurzfristiges Investitionsgut.
Moment, was hat ein Aldi-PC mit der Familie zu tun?
Heute leben die meisten Menschen in mehreren sozialen Strukturen gleichzeitig. Freunde, Kollegen, Familienmitglieder bilden die virtuelle Familie des Großstädters. Das verlangt Mobilität und ständig wechselnde Rollen. So ein funktionsüberladener Multimedia-Rechner schränkt die Beweglichkeit ein und ist in dieser Struktur eher ein Hemmnis. So gesehen ist das Gerät sehr teuer.
Was wäre die Alternative?
Mehrere Geräte, wie PDAs, Office-PC, Notebook und Handy, die aber zu Hause und unterwegs auf dieselben Daten und dieselben Anwendungen zugreifen.