Betriebssysteme – Linux-Migration
Interview: Novells “Project Penguin”
Betriebssysteme – Linux-Migration
Debra Anderson, CIO bei Novell, wurde von ihrem Unternehmen mit der Aufgabe betraut, alle 6.000 Desktops von Microsoft Windows auf Novell Linux zu migrieren. In einem Exklusiv-Interview mit vnunet.com erläutert sie detailliert dieses Projekt und was man daraus lernen kann.
Wie fing die ganze Planung für die Migration an?
Die Planung ist das Schwierigste. Wir erstellten eine Site, die wir “Open Zone” nannten, ein Gesamtlager für alles, was mit unserer “Open Desktop Initiative”, wie der Name für unser Projekt lautet, zu tun hat.
Diese Site bietet dem Personal Trainings, Downloads, Informationen darüber, was wir tun, und wo wir in unserem Projekt gerade stehen. Es ist die am zweithäufigsten besuchte interne Site unseres Unternehmens.
Ich saß mit jedem einzelnen unseres Teams, das für die Ausführung verantwortlich ist, an einem Tisch zusammen, und es wurde darüber gesprochen, was in welchem Zeitrahmen bewältigt werden soll. Wir vereinbarten dann einen gemeinsamen Startpunkt, den die Teammitglieder ihrerseits an ihre Mitarbeiter weiterleitete.
Anschließend ernannte jeder von ihnen einen Vertreter als hauptsächlichen Ansprechpartner innerhalb ihrer Organisationseinheit, und schufen damit ein riesengroßes virtuelles Team.
Ich würde also sagen, unsere zweitschwierigste Aufgabe war es, das Führungsteam zu einer gemeinsamen Position zu bringen, die geschlossen hinter dem stand, was wir verwirklichen wollten. Das war in der Tat eine Aufgabe, die man genau planen musste.
Ich legte ein paar der wichtigsten Ziele für dieses Jahr fest. Eines davon war, bis zum 31. Juli 90 Prozent von Novell auf OpenOffice zu migrieren. Als zweiten Schritt sollten 50 Prozent des Unternehmens bis zum 31. Oktober auf Novells Linux-Desktop umgestellt sein.
Novells Linux-Desktop befindet sich noch in einem Stadium des Wandels, ist das ein zusätzliches Problem?
Durchaus. Aber wir waren uns beim Festlegen unserer Ziele voll bewusst über den Entwicklungsstand. Der Vorteil einer Umstellung auf OpenOffice war, dass OpenOffice.org bereits verfügbar ist und wir in der Lage waren, Novell zu migrieren, aber ohne die Desktops und alles, was bei den einzelnen Mitarbeiter eher Unruhe stiftet.
Trotzdem waren sämtliche Novell-Mitarbeiter involviert. Sie hatten alle bis zu einem bestimmten Datum etwas zu erledigen. Für mich ist dieses Ziels dann erreicht, wenn jeder Einzelne OpenOffice hat und sämtliche interne Zusammenarbeit bei Novell mit OpenOffice erledigt werden kann.
Was wir hier gelernt haben – und das ist bei dem Ganzen ein ausgesprochen wichtiger Teil – ist, uns Hindernisse genau anzusehen. Wir haben erkannt, dass für bestimmte Funktionen in bestimmten Abteilungen es gute Gründe dafür gab, Microsoft Office noch aktiviert zu lassen. Ein solcher Grund wären zum Beispiel Anwendungs-Plug-Ins.
Werden nicht alle auf Open Source migriert?
Im Moment sind sie es noch nicht. Viele Anwendungen gehen noch immer davon aus, dass jeder Import oder Export aus oder nach Microsoft Excel geschieht. Wir haben eine viele Jahre alte Geschichte, die nur Microsoft als Standard kannte.
Wir sind auch auf ein paar funktionelle Dinge gestoßen, die wir sowohl an die Novell-Entwicklung als auch die Open-Source-Community weitergegeben haben. Ein Beispiel: Calc, das OpenOffice-Äquivalent zu Excel, stößt bei 32 K an die Grenze seiner Tabellengröße. Es gibt in der Firma Benutzer, für die diese Grenze nicht tragbar ist, also benutzen sie weiterhin Excel.
Die aktive Nutzung von OpenOffice ist zu etwa 87 Prozent realisiert. Damit bin ich zufrieden. Auch wenn wir die 90-Prozent-Hürde nicht ganz geschafft haben, haben wir im Wesentlichen erreicht, was wir wollten.
Kommen wir zum Linux-Desktop, unserem nächsten Ziel. Wir haben zwischen 3.000 und 3.200 Mitarbeiter (von 6.000), die bereits einen Linux-Desktop implementiert haben, aber in verschiedenen Versionen. Wir übernehmen regelmäßig die Verbesserungen unseres Entwickler-Teams, (und) viele Leute sind schon weiter und haben SuSE Linux Enterprise Edition implementiert, eine Komponente des Novell Linux-Desktops.
Bis Ende Oktober werden wir die 50 Prozent geschafft haben. Und wir werden weiterhin unsere Erfahrungen machen.
Gibt es noch weitergehende Ziele bei dieser Planung? Streben Sie 90 oder 100 Prozent an?
Ja, das 100-Prozent-Ziel wird für das Ende unseres zweiten Quartals, Ende April angestrebt.
Was sind die größten Hürden auf dem Weg?
Das sind Dinge wie die Annahme der Veränderungen durch den einzelnen. Das ist bei so einem Projekt immer schwierig. Manche nehmen etwas Neues schneller an, andere langsamer.
War es nötig, ein Training durchzuführen?
Bei OpenOffice waren wir angenehm überrascht, wie klein die Unterschiede sind. Im Web fanden wir brauchbares Referenz-Material für kleinere Probleme und gute Trainingsunterlagen. Wir legten eine FAQ-Liste an (frequently asked questions). Das ist alles auf der Portal-Site untergebracht. Wir haben auch einen richtigen Kurs angeboten, aber er wurde nur von wenigen in Anspruch genommen.
Was den Linux-Desktop angeht, ist es noch ein wenig zu früh, etwas darüber zu sagen. Der Novell Linux-Desktop hat wahrscheinlich andere Farben als Microsoft, aber es gibt genauso die Icons zum Anklicken und Öffnen. Im Moment kümmere ich mich am meisten um den Quick-Reference- und FAQs-Bereich. Sobald wir irgendetwas Neues erfahren, wird es dort eingebracht. Aber wir nageln die Benutzer nicht in stundenlangen Übungskursen fest.
Welche Schritte empfehlen Sie einem mittelgroßen Unternehmen, das an Migration denkt?
Ich würde dazu raten, als Erstes ernsthaft über einen Schritt weg von der Microsoft-Produktlinie und hin zu OpenOffice nachzudenken.
Die meisten Firmen werden diesen Schritt gehen, um bestimmte Geschäftsziele zu erreichen. Es gibt auch Kunden, die nicht die volle Windows-Funktionalität nutzen. Sie greifen vielleicht auf zwei oder drei Geschäftsanwendungen pro Tag zu und kommen damit den ganzen Tag aus. Es gibt keinen Grund, warum sie nicht im Zuge einer Aktualisierung auf Linux wechseln sollten. Das ist wirklich einfach.
Schwieriger ist das schon eher für spezialisierte Mitarbeiter – wie sie bei uns die Mehrheit bilden – die alle Features und Funktionen ihrer Systeme einsetzen, einschließlich Wireless, die ganze Produktpalette und eine Vielzahl von Anwendungen.
Ich habe den CIOs empfohlen und das Thema mit vielen diskutiert: Denken Sie bei Ihrer Entscheidung an Ihre Firma und an einfach zu erreichende Ziele. Es gibt keinen Grund, warum Linux- und Windows-Maschinen nicht nebeneinander in Ihrem Unternehmen existieren könnten.
Sie müssen die leitenden Mitarbeiter einbeziehen. Ein CIO kann bei einer Veränderung der Desktop-Landschaft nicht einfach sagen: “So machen wir das”, ohne dass Vertreter der Unternehmensleitung gefragt werden. Für solche Entscheidungen genügt kein kurzes Kopfnicken.
Ich könnte mir vorstellen, dass grundsätzlich das Interesse an Desktop-Fragen groß ist. Verlieren die Leute dieses Interesse, wenn man sie mit veralteten Systemen arbeiten lässt?
Für uns war es sehr wichtig, diesen “inneren” Leidensdruck zu spüren. Nur so waren wir in der Lage, uns vernünftige Wege zu überlegen, die von jeder Organisation nachvollzogen werden können. Wir können diese Wege nun anderen CIOs empfehlen.
CIOs sind im Allgemeinen risikoscheue Wesen. Ich bin es auf jeden Fall. Und das wird sich auch nicht ändern. Aber ich glaube, wir werden einen Punkt erreichen, wo Windows- und Linux-Desktops nebeneinander existieren. Das wird nicht nur für Endanwender, sondern für alle Unternehmen eine brauchbare Alternative sein zu einer Entweder-Oder-Entscheidung.
Sind es alte Anwendungen auf Windows-Plattformen, die am meisten Bauchschmerzen machen?
Es gibt eine Vielzahl von Technologien, die es erlauben, Windows-Client-basierte Anwendungen auf einem Linux-Desktop zu fahren. Wir haben genau definiert, welche der Technologien für welche Unternehmensanwendungen brauchbar sind.
Dass die mit einer Migration zusammenhängenden Prozesse wirklich Arbeit machen, müssen die Leute erst einmal realisieren, aber das ist glaube ich kein Hinderungsgrund. Das gilt genauso für die Migration des Windows-Desktops von einer Version auf die nächste, nicht nur für Linux.
Wie groß ist denn so ein Novell Linux-Desktop im Verhältnis zu Windows XP?
Viel kleiner. So wie es eben in der Natur des Betriebssystems liegt. Vergleichbare Dokumente sind ebenfalls viel kleiner. Es ist erstaunlich. Wir sprechen hier über Größenunterschiede von etwa einem Zehntel der Größe von Microsoft-Produkten
Und was gibt es neben dem Desktop-Projekt noch für Unternehmensziele?
Wir haben ein parallel laufendes Ziel, die Präsenz unserer Linux-Server in unserem Datenzentrum zu verdoppeln. Wir haben zum Erreichen dieses Ziels einfach die in einer IT-Abteilung regelmäßig fälligen Aktualisierungen genutzt: Server, die ausgedient hatten, wurden einfach durch SuSE-Linux-Server ersetzt.