Mig 29 im Flugsimulator
Kerosin liegt in der Luft
Flugsimulator
Mig 29 im Flugsimulator
Der Jet durchbricht die Wolkendecke. Tief unter uns, im Blau des Ozeans, treibt der feindliche Kreuzerverband. »Delta Alpha November, wir haben Sie!«, brüllt es aus dem Kopfhörer, und wir beginnen mit dem Sinkflug. Der Pilot wechselt die Waffenauswahl und aktiviert die Zielautomatik. Plötzlich ein heftiger Schlag auf der rechten Seite; eine Rakete hat uns voll erwischt. Das Flugzeug beginnt zu trudeln und dreht sich immer schneller um die eigene Achse, bis es Pilot und Copilot in den Sitzen durchschüttelt. Die Fliehkraft ist so stark, dass es mir das Headset vom Kopf reißt. Mit wahnsinniger Geschwindigkeit rast der Jet in die Tiefe. Die Schiffe werden größer, die Wasseroberfläche bekommt Struktur. Das Flugzeug ist nicht mehr zu kontrollieren, der Absturz unvermeidlich. Ich kann die Gischt der Wellen erkennen. Mir schwindelt, Oben und Unten verlieren an Bedeutung. Wo ist nur der Knopf für den rettenden Schleudersitz? Zu spät.
Das Missionsende erlöst uns, bevor wir zerschellen. Fix und fertig, mit zittrigen Beinen, stolpern wir aus dem Flugsimulator und begeben uns zur Nachbesprechung. Dort lautet die erste Frage nicht etwa, wie es uns geht, sondern warum wir eine so schlechte Abschussstatistik vorzuweisen haben.
Mig 29 – technische Daten
Mig 29 im Flugsimulator
Dass es ernst wird, hätten wir schon bei der Ankunft wissen müssen. Alles wirkt wie auf einem echten Flughafen: Der Tower scheint besetzt, die Landebahn ist ausgeleuchtet, und die Anzeigetafeln fordern die nächsten Piloten auf, sich für die anstehende Mission startklar zu machen. Dennoch befinden wir uns auf keinem Luftwaffenstützpunkt, sondern in dem kleinen westfälischen Städtchen Ahaus, rund 50 Kilometer nördlich des Ruhrgebiets.
Hier ist der Hauptsitz von Tobit Software und die dazugehörige »Kerosin«-Bar. Aber der Tresen ist nicht das wirklich Interessante (trotz der laut Tobit größten Wodka-Auswahl westlich des Kremls), sondern das Virtual.aero: ein virtueller Flughafen für ambitionierte Hobby-Piloten auf etwa 4200 Quadratmetern. Dort stehen vier etwa PKW-große Simulatoren mit jeweils zwei Sitzplätzen. Diese rund zwei Tonnen schweren Maschinen stammen aus den USA, sind aber für den Einsatz bei Tobit speziell umgerüstet, so dass sie 360-Grad-Rotationen in jede gewünschte Richtung ausführen können. Und das mit einer maximalen Geschwindigkeit von einer Umdrehung pro Sekunde und Achse.
MiG-29 – Der Mythos
Mikojan Gurewitsch baute Mitte der 70er-Jahre das russische Gegenstück zur amerikanischen F-15 und F-16. Im Kalten Krieg war keine andere Maschine bei den westlichen Staaten mehr gefürchtet als die sagenhaft wendige MiG-29.
Bis heute gilt sie als einer der besten Jäger weltweit.
NATO-Code: Fulcrum
Gesamtlänge: 17,32 m
Höhe: 4,73 m
Spannweite: 11,36 m
Flieger-Typ: Jäger
Besatzung: 1
Bewaffnung: 30-mm-Bordkanone
2000 kg Raketen oder Bombenlast
Tankinhalt: 4300 l intern, 1500 l Zusatztank
Leistung: 2 Triebwerke mit je 159 707 N
Höchstgeschwindigkeit: 2,35 Mach (2450 km/h)
Reichweite: 600 km
Maximale G-Belastung: +9 g bis 2,5 g
Lock On
Mig 29 im Flugsimulator
Softwaretechnisch basiert die Simulation auf einer abgewandelten Version des PC-Spiels »Lock On« von Ubisoft. Allein um den Ablauf zu berechnen und gleichzeitig in Bewegungen umzusetzen, sind bereits zwei Rechner pro Flugzeug notwendig. Ein dritter PC sorgt für die Kommunikation im Cockpit. Schon die dabei zu verarbeitenden Datenmengen sind riesig; hinzu kommen die vielen kleinen Prozesse im Hintergrund. Denn das gesamte Gebäude ist mit hunderten Lampen, Verstärkern, Rauchmaschinen und zahllosen TFTs ausstaffiert. Was Tobit damit zeigt, ist vor allem die Stärke der eigenen Verwaltungssoftware, denn die komplette Steuerung dieser Geräte übernimmt David V8, das eigentliche Kernprodukt der Firma. Der gesamte Komplex funktioniert so perfekt wie ein Uhrwerk. So sind pro Woche mehr als 2000 Starts und Landungen möglich. Täglich fliegen zwischen 200 und 500 Piloten ihre Einsätze.
Chip-ID
Mig 29 im Flugsimulator
Eine eigene ID auf der Chipkarte erhält jeder Pilot nach der ersten Anmeldung im Virtual.aero. Sie speichert neben den persönlichen Daten auch Informationen über die absolvierten Flüge und dient als Zahlungsmittel. An den Terminals tragen wir uns für die gewünschten Missionen ein, setzen uns ins »Kerosin« und warten ab, bis unser Einsatz drankommt. Ein Glas Wodka zum Mutantrinken kann nicht schaden zu viel kann bei den schnellen Lastwechseln allerdings peinlich werden, wenn einem der Simulator beim Looping den Magen umdreht.
Briefing
Mig 29 im Flugsimulator
Als wir an der Reihe sind, geht es zuerst in den Briefingraum. Er öffnet sich vollautomatisch, sobald sich alle Piloten der Mission an der Tür mit ihrer ID-Karte identifiziert haben. Ein Demofilm erklärt zunächst die Grundfunktionen der Maschine und die Steuerung. Außerdem warnt der Videoclip vor möglichen Risiken für Personen mit Herz-, Kreislaufproblemen oder Platzangst. Dann betritt ein Virtual.aero-Mitarbeiter in russischer Armeeuniform den Raum und macht uns mit den genauen Funktionen von Steuerung und Zielerfassung vertraut. Anschließend erklärt er uns die bevorstehende Kampfmission und die verschiedenen Waffensysteme. Nach der Beantwortung der letzten Frage müssen wir noch sämtliche Taschen leeren; andernfalls besteht bei den rasanten Flugmanövern Verletzungsgefahr durch herumfliegende Gegenstände. Dann gehen wir durch einen dunklen Gang zu den Fluggeräten. Jeder Pilot klettert in seine Kapsel, und der Operator hilft uns beim Festgurten. Nach einem kurzen Check der Gurte und der Funkkommunikation schließt sich der Simulator. Der Flug beginnt.
Loopings & Spins
Mig 29 im Flugsimulator
Je nach Flugerfahrung gibt es verschiedene Missionen, da Anfänger schon allein mit dem Geradehalten der Maschinen Probleme haben. Je nach Schwierigkeit beginnt der Flug entweder bereits in der Luft oder am Boden auf der Startbahn. Zu Beginn macht es einfach Spaß, weil wir unzerstörbar und mit unendlich viel Munition ausgerüstet sind. Später fallen diese Boni weg, und die Missionen werden wirklich anspruchsvoll. Während es beim ersten Flug unmöglich erscheint, die Maschinen überhaupt sauber zu kontrollieren, stellt sich bereits nach der dritten Runde eine gewisse Routine ein. Von da an sind Schwindel erregende Tiefflüge und spektakuläre Verfolgungsjagden kein Problem mehr. Auch an die schnellen Lastwechsel und Rotationen des Simulators haben wir uns schnell gewöhnt. Während nach dem ersten unbeabsichtigten Looping schnell mal die Orientierung verloren geht, versuchen wir spätestens beim dritten Flug, uns gegenseitig mit Loopings und Spins zu übertreffen.
Manöverkritik
Mig 29 im Flugsimulator
Die Manöverkritik zum Schluss darf nicht fehlen. Erst einmal kriegen wir unsere Habseligkeiten zurück, dann bekommen wir eine Zusammenfassung unserer Bemühungen zu sehen. Der Operator analysiert im Debriefing offensichtliche Stärken und Schwächen und gibt Tipps für den nächsten Flug. Dann vergleichen wir noch die Abschussstatistiken und besprechen konkrete Probleme. Eine Kopie mit persönlichen Flugdaten gibt es zum Mitnehmen: Für viel mehr als einen Abschuss und zwei Spins hat es auc
h in der dritten Runde nicht gereicht. Im Gegenteil, wir hatten sogar Glück, dass wir unseren Flug nicht gleich mit einem Absturz beendet haben. Der kleine, etwa zwölfjährige Junge, der mit seinem Vater an unserer Mission teilgenommen hat, grinst hingegen zufrieden über das ganze Gesicht. Neun Abschüsse, zwei Loopings und ein gutes Dutzend Spins versprechen eine gute Platzierung auf der Tagesbestenliste. Papa hat dagegen überhaupt keine Punkte gemacht. »Ich bin ja nur Copilot und überlasse das Fliegen lieber meinem Sohn. Der kann das wenigstens.«
Alles in allem dauert eine einzelne Mission mit Briefing, Flug und Nachbesprechung knapp eine halbe Stunde und kostet pro Person 2,50 Euro. Wer lieber allein im Cockpit sitzt und sich die Kontrolle über das Flugzeug nicht mit einem Copiloten teilen möchte, zahlt das Doppelte. Das ist ein fairer Preis für etwa zehn Minuten Freiheit über den Wolken. Andere Simulationen kosten im Vergleich dazu meist ein Vielfaches.
Besitzer des PC-Spiels »Lock On« haben via Internet übrigens die Möglichkeit, sich die Aufzeichnung des Fluges zu Hause am PC anzusehen. Auch das Buchen neuer Missionen ist über das Netz möglich.
Weitere Simulatoren
Mig 29 im Flugsimulator
Lebensnahe und rundum schwenkbare Simulatoren ziehen sich eine treue Fangemeinde. Auch etliche Profiausbilder verdienen sich mit Angeboten für Neugierige ein Zubrot.
Tobit Software
Ort: Ahaus
Preis: ab 5 Euro
Packende Luftkämpfe in der MiG-29.
Infos: www.virtual.aero
Anbieter: Sim-Zone
Ort: Hattersheim bei Frankfurt
Preis: ab 175 Euro
In Dreierbesatzung am Steuer einer MD-80.
Infos: www.flugsim.de
MVG
Ort: München
Preis: ab 116 Euro
30 Minuten Fahrt in einer Münchner U-Bahn.
Infos: www.mvg-mobil.de/fahrsimulator.htm
Skytravel,
Ort: Dortmund
Preis: ab 195 Euro
Dreistündige Mission als Kapitän eines Verkehrsflugzeuges oder Spaceshuttles.
Infos: www.skytravel24.de
Joffi Simulator Events
Ort: Fulda, Hamburg, Nürnberg, Köln
Preis: ab 228 Euro
Breites Angebot, vom Zugführer im Original-DB-Simulator über den Flugzeugkapitän bis zum Formel-1-Piloten.
Infos: www.joffi.de
Proflight
Ort: Bremen, Frankfurt, Berlin
Preis: ab 199 Euro
Training an echten Ausbildungssimulatoren.
Infos: www.proflight.com
Space Island
Ort: Bielefeld
Preis: ab 35 Euro
Elf voll bewegliche Maschinen, vom Helikopter bis zum Kampfraumschiff.
Infos: www.space-island.de