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Paranoia bestimmt die Chip-Entscheidungen von Intel

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Der ehemalige Intel-Chef Andrew Grove wird allein schon für seine Behauptung in die Geschichtsbücher eingehen, dass nur die Paranoiden überleben – wenn er dort nicht schon Platz findet wegen seiner ausgesprochen erfolgreichen Zeit bei dem Chip-Riesen.

Der Aphorismus von Grove ist offensichtlich ein erfolgreicher Lehrsatz, auf dem man ein Unternehmen aufbauen kann, auch wenn er etwas unlogisch ist. Schließlich gibt es ja seit Ewigkeiten den Spruch, dass man nicht wirklich paranoid ist, wenn alle hinter einem her sind. Und hinter Intel sind viele Firmen her. In Business-Begriffen drückt sich Paranoia als gutentwickelter Sinn für Selbstzweifel aus. Paranoide Wirtschaftsmanager müssen sich ständig selbst fragen, ob sie das Richtige tun. Gibt es jemand anders, der besser ist? Sollte man das stoppen, was man tut, und mit etwas anfangen, das die anderen auch gerade beginnen?

“Der paranoide Spitzenmanager hat manchmal keine Wahl”

Zuzugeben, dass man die falsche Kurve genommen hat, ist im besten Fall ziemlich hart, aber das natürliche Zögern, Fehler einzugestehen, wird unglaublich verstärkt, wenn dieses Eingeständnis dazu führt, dass der Kurs der eigenen Aktie an Glanz verliert (und im Fall des durchschnittlichen Geschäftsführers trifft das auch den persönlichen Wohlstand). Aber der paranoide Spitzenmanager hat manchmal keine Wahl. Schließlich gibt es viele leuchtende Beispiele von Firmen, die die vorübergehende Strafe für einen dramatischen Kurswechsel ertragen mussten und langfristig davon profitiert haben.

Ein deutliches Beispiel dafür ist etwa die Entscheidung von Microsoft im Februar 1996, das von viel Getöse begleitete Projekt Blackbird einzustellen. Durch die Streichung des Programms verabschiedete sich Microsoft dramatisch von den Ambitionen, AOL und CompuServe zu töten und warf sich statt dessen mit seinem ganzen Gewicht (und der ganzen vollen Brieftasche) auf die Luftröhre von Netscape. Das war ein Wechsel, der die Macht und den Einfluss von Microsoft in den folgenden Jahren deutlich verändern sollte.

Auch Apple beschloss 1996, als die Firma sich abstrampeln musste, das bereits lange laufende Projekt Copland zu stoppen, das einen Ersatz für Mac OS 9 entwickeln sollte. Statt dessen kaufte man NeXT von Steve Jobs, was auf dem Markt zu vielen Fragen führte. Inzwischen, mehr als drei Jahre nach der Markteinführung von Mac OS X, wird diese Kehrtwende zu Recht als kühner und notwendiger Schachzug gesehen.

“Auch Microsoft und Apple stampften unsinnige Projekte ein. Intels Spurwechsel mit quietschenden Reifen macht in diesem Zusammenhang Sinn”

In diesem Kontext machen die Spurwechsel mit quietschenden Reifen, die Intel in jüngster Zeit hingelegt hat, am meisten Sinn.

Die verspätete Entscheidung von Intel, den eigenen, übermäßig aufgeblasenen Itanium durch 64bit-Xeons zu ergänzen, wird sich langfristig unzweifelhaft auszahlen. Es spielt keine Rolle, dass die Entwicklung des Itanium Unmengen von Geld gekostet hat. Das Geld ist ausgegeben. Eine AMD-Alternative zu ignorieren, die den Itanium unterbietet, würde ganz sicher nicht dazu führen, dass das Geld zurückkommt und es auch nicht zu einer klügeren Investition machen.

Auf ähnliche Art und Weise könnte auch die Streichung des 4FGz-Pentium-4 viel Sinn machen. Wenige Unternehmen benötigen dieses Teil ganz dringend, aber die Ziele die Intel statt dessen verfolgen will – Dualkern-Chips und “spezielle Silizium-Lösungen” innerhalb der allgemeinen PC-Architektur – könnten wirklich sehr willkommen sein. Ein Intel-Äquivalent der On-Chip-Firewall von nVidia käme beispielsweise sehr gut an. Das gleiche gilt für eine Centrino-Behandlung – ein Logo-Programm, spezielle Hardware und garantierte Interoperabilität – für Aufgaben wie VPN-Remote-Arbeiten, Voice-over-IP oder Videokonferenzen.

Natürlich kann ich mich auch sehr gut irren. Es könnte sein, dass sich das Fehlen eines 4GHz-Teils als desaströs erweist und in der Zukunft als der Moment gilt, in dem der einst übermächtige Riese zuerst in die Knie ging, um dann den Geist aufzugeben. Ja, ich könnte mich täuschen. Aber vielleicht bin ich einfach nur paranoid.

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