Crowdworking: Micro-Jobs im Netz

Nach Crowdfunding kommt Crowdworking. Immer mehr Dienstleister bieten die Möglichkeit, Projekte von einem Heer externer Mitarbeiter erledigen zu lassen. ITespresso erklärt, wie Crowdworking funktioniert, warum Gewerkschaften skeptisch sind – und was das Thema mit der Suche nach Aliens zu tun hat.
Der Begriff der “Crowd” steht seit Jahren für einen mächtigen Trend im Web. Daraus abgeleitete Schlagworte wie Crowdsourcing, Crowdfunding und Crowdinvesting beherrschen die Diskussion.
Hinter allen steckt dieselbe Grundidee: Projekte, egal ob wissenschaftlicher, finanzieller oder wirtschaftlicher Art, werden nicht mit einem Stamm fester Mitarbeiter realisiert, sondern auf möglichst viele externe Mitarbeiter verteilt. Dafür werden die Aufgaben des Projekts in möglichst kleine Einheiten zerlegt und an die Mitarbeiter verteilt. Diese arbeiten ihre Aufgaben nacheinander ab. Fertig ist die Crowd.
Die Summe aller Micro-Tasks ergibt am Ende ein fertiges Projekt. Am besten eignen sich Aufgaben wie Datenanalyse, Programmieren oder auch Verfassen kurzer Texte.

Das erste Crowd-Projekt
Als erstes großes Crowd-Projekt kann SETI@Home (SETI, Search für Extraterrestrial Intelligence) der Universität Berkeley gelten. Ziel des 1999 gestarteten Projekts war, die Suche nach Radiosignalen aus dem Kosmos, die von außerirdischen Lebewesen stammen könnten.
Bei der Alien-Suche installierten Millionen Anwender weltweit ein kleines Programm auf ihrem PC. Das lud sich vom Berkeley-Server Datensätze vom Arecibo-Radioteleskop in Puerto Ricoh herunter und analysierte diese in den Zeiten, wenn der Nutzer nicht am PC arbeitete, nach auffälligen Mustern. Durch den Einsatz von Millionen PCs, von denen jeder nur einen winzigenPart der Auswertung übernahm, kam insgesamt eine gigantische Rechenleistung zusammen.
Das Beispiel hat Schule gemacht, nicht nur in der Forschung.

Seit einigen Jahren erkennt auch die IT-Branche die Chancen der Crowd. Immer mehr Anbieter versuchen sich als Crowdworking-Plattformen, und bieten externen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich durch Micro-Jobs ein paar Euro dazuzuverdienen.
Zu den bekanntesten Anbietern gehören Namen wie Peopleperhour, Leadgenius, Topcoder, Crowdflower, sowie die deutschen Unternehmen Clickworker, Streetspotr oder Testbirds. Sogar das Online-Kaufhaus Amazon mischt auf diesem Markt mit. Dessen Angebot heißt Mechanical Turk.

Vorteile für Crowdworker
Die Crowdworker-Plattformen greifen jeweils auf ein internationales Heer von Mitarbeitern zu. Unterstützt von Cloud Computing und Mobilgeräten können diese von überall und jederzeit auf ihren virtuellen Arbeitsplatz zugreifen. Wer das beispielsweise als Student von zuhause aus macht, für den ergibt sich unter Umständen ein schöner Zuverdienst. Nach Schätzungen von Experten gibt es in Deutschland zurzeit schon etwa eine Million Crowdworker.

Gewerkschaften kritisieren das Konzept
Was die Industrie als großartige Chance im Zeitalter der digitalen Transformation sieht, ist für die anderen ein neues Schreckgespenst. Vor allem Gewerkschaften sehen Crowdworking als Bedrohung der Arbeitswelt. So erklärt Vanessa Barth, IG-Metall-Vorstandsmitglied Vanessa Barth auf der Webseite des Unternehmens: “So wie wir Crowdworking heute erleben, gefährdet es die Entwicklung zu einer nachhaltigeren Arbeitswelt. Die Jobs sind von einem extremen Ungleichgewicht zwischen Auftraggebern und Auftragnehmer und von großer Willkür gekennzeichnet.”

Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen für viele Crowdworker nicht eben optimal. Sie müssen sich selbst um ihre Renten- und Sozialversicherung kümmern. Von arbeitnehmerfreundlichen Regelungen wie Urlaubsgeld oder Fahrtkostenzuschuss können sie nur träumen. Hinzu kommt, dass alle ihre Arbeitsschritte und die Qualität ihrer Arbeit bis ins Detail kontrolliert und ausgewertet werden können.

Anbieter stellen Code of Conduct vor
Einige Anbieter haben inzwischen reagiert. So hat das Münchner Unternehmen Testbirds, spezialisiert auf Software-Tests einen Code of Conduct vorgestellt. Mit von der Partie sind auch die Anbieter Clickworker und Streetspotr. Der Code of Conduct soll als “selbstauferlegtes Regelwerk führender Crowdsourcing-Anbieter” Leitlinien für die faire Zusammenarbeit zwischen Crowdworker und Dienstleister schaffen. Als wichtige Voraussetzungen werden in dem Dokument unter anderem Aspekte wie Seriösität, “faire Bezahlung”, “motivierende Arbeit” sowie “Datenschutz und Privatsphäre” aufgeführt.

Die IG Metall hat die Webseite Faircrowdwork.org erstellt. Auf der zweisprachigen Seite (Deutsch oder Englisch) kann man beispielsweise ein Ranking der besten Crowd-Plattformen sehen oder rechtliche Informationen erhalten.
Das Thema Crowdworking zieht immer weitere Kreise und wird sich auch in den nächsten Jahren als stabiler Trend in der digitalen Arbeitswelt etablieren. Auch, wenn SETI@Home, das Projekt, mit dem alles anfing, bis heute keine Signale außerirdischer Intelligenz gefunden hat.