WLAN-Störerhaftung: Experten größtenteils von der Politik enttäuscht
Kritisiert werden die sogenannten gefahrgeneigten Dienste. Die IT-Verbände BITMi und Eco sehen “keine wirkliche Verbesserung der Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber”. Anlass zur Kritik bietet auch die Abschaffung der Trennung zwischen Privatperson und kommerziellen Anbietern. Netzwerkspezialist Lancom sieht in der Gleichbehandlung aller Hotspot-Betreiber dagegen einen “Sieg der Netzpolitiker”.
Der am 15. Juni der EU-Kommission vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung – offiziell “Zweites Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes” genannt – sorgt weiterhin für Kontroversen. Während sich die deutschen IT-Verbände BITMi und eco übereinstimmend und energisch auch gegen den überarbeiteten Entwurf aussprechen, lobt etwa der Netzwerkspezialist Lancom die Autoren des Gesetzestextes für die Neuformulierung.
Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) sieht kaum eine Verbesserung im neuen Gesetzentwurf. Die Bundesregierung habe mit der Neufassung zwar die Trennung zwischen Privatpersonen und kommerziellen Anbietern abgeschafft, es bestünden aber auch künftig für beide Nutzergruppen bürokratische Hürden: “Die Registrierungs- beziehungsweise Anmeldepflicht erschwert die einfache und unkomplizierte Öffnung und eine gemeinsame Nutzung digitaler Infrastrukturen”, bemängelt BITMi-Präsident Oliver Grün.
“Gerade in Zeiten, wo der Ausbau digitaler Infrastrukturen hinkt, können hier Drahtlosstrukturen ein immer wichtigerer Zugangspunkt für Unternehmen und Nutzer werden”, führt Grün weiter aus. Mehr Aufklärung, insbesondere über das Urheberrecht, scheint aus seiner Sicht daher dringend angebracht.
Auf Kritik stoßen beim IT-Mittelstandsverband außerdem die Regelungen zu den sogenannten “gefahrgeneigten Diensten”. Als solche werden jene betrachtet, bei denen der Großteil der Inhalte illegal ist, wenn der Anbieter selbst die illegale Nutzung erleichtert oder sogar erst ermöglicht oder wenn er damit wirbt, dass Rechtsverstöße bei seinem Dienst nicht verfolgt werden können.
Dem BITMi zufolge schafft der diesbezüglich überarbeitete Gesetzestext speziell für Hosting-Provider keine Rechtssicherheit: “Die Formulierungen zu den gefahrgeneigten Diensten waren bereits im alten Gesetzesentwurf schwierig, da sie eine Umkehr der Beweislast für Provider zumindest nicht ausgeschlossen haben. Mit dem neu hinzugefügten Satz, dass rechtswidrige Inhalte durch den Berechtigten gelöscht werden können müssen, wird dieses Problem weiter verstärkt und nimmt die Provider in Haftung”, fügt Grün an.
Auch der Verband der Deutschen Internetwirtschaft (eco) sieht trotz einiger Änderungen am neuen Gesetzesentwurf kaum Verbesserungen gegenüber dem ersten Gesetzestext: “Unsere Kritikpunkte bleiben dieselben. Aus unserer Sicht brächte das Gesetz in dieser Form keine wirkliche Verbesserung der Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber. Wir wenden uns auch weiterhin entschieden gegen die für Hosting-Anbieter höchst problematische Regelung zu sogenannten gefahrgeneigten Diensten”, betont Oliver Süme, eco-Vorstand Politik & Recht.
Mit einer von ihm durchgeführten Erhebung zum Status Quo und den technischen Möglichkeiten öffentlicher WLANs in Deutschland will der eco-Verband seine Forderung nach weiteren Überarbeitungen am Gesetzentwurf untermauern. Die Studie kommt nämlich zu dem Ergebnis, dass es hierzulande aktuell zwar rund eine Million öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots gibt, dass von diesen jedoch lediglich 15.000 tatsächlich ohne Registrierung oder Identifikation offen und frei zugänglich sind.
Der Netzwerkanbieter Lancom lobt in einer Stellungnahme dagegen die Bundesregierung für die Überarbeitung des entsprechenden Gesetzestextes: “Der gestern vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung illustriert in beeindruckender Weise, dass der Gesetzgeber die vielfältigen Kritikpunkte aus der Netzgemeinde gehört und ernst genommen hat. Im Gegensatz zum ersten Entwurf unterscheidet die überarbeitete Fassung nicht mehr zwischen geschäftsmäßigen und privaten Betreibern offener WLANs”, erklärt Ralf Koenzen, Gründungsgesellschafter von Lancom.
Die Verfechter einer modernen Netzpolitik hätten damit die zentrale Forderung nach der Gleichbehandlung aller WLAN-Betreiber durchsetzen können: “Gemäß dem neuen Gesetzestext müssen Privatleute im Falle eines Rechtsverstoßes nun nicht mehr angeben können, wer ihren Internetzugang benutzt hat. Dies dürfte vor allem die Freifunker freuen, die ihre Initiative angesichts dieser Vorgabe schon vor dem Aus sahen”, so Koenzen weiter.
Und obwohl die Verpflichtungen der WLAN-Betreiber, ihre Netze angemessen gegen unbefugte Nutzung zu sichern und ihre User zu verpflichten, keine Rechtsverletzungen zu begehen, beibehalten worden seien, hätten die Autoren des Entwurfs die Vorgaben dafür so gestaltet, dass sie jeder, der seinen Internetzugang teilen möchte, auch erfüllen könne – vom Café um die Ecke bis zum Community-Netzwerk.
“Der nun vorgelegte Entwurf erfüllt die Versprechungen der ‘Digitalen Agenda’ vollumfänglich. Er ist ein klarer Sieg der Netzpolitiker und hat das Potenzial, die Hotspot-Landschaft in Deutschland nachhaltig zu verändern und die Digitalisierung unseres Landes deutlich voranzutreiben”, zeigt sich Koenzen mit der Neuformulierung zufrieden.
Rechtssicherheit hinsichtlich der Störerhaftung bei Bereitstellung öffentlich zugänglicher WLAN-Netze zu schaffen war bereits Anfang November 2013 im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Das Ziel sollte ursprünglich bis Ende 2014 erreicht werden. Allerdings gingen in der Diskussion im Vorfeld die Meinungen darüber auseinander, ob von der Abschaffung der Störerhaftung beziehungsweise der Gleichstellung mit großen Providern nur gewerbliche WLAN-Betreiber – etwa Cafés, Einkaufszentren oder Einrichtungen wie Bibliotheken – oder auch Privatleute profitieren sollen, die ihren WLAN-Router anderen zur Nutzung überlassen.
Tipp der Redaktion: Vor allem die Kabelnetzbetreiber und die Telekom investieren in jüngster Zeit verstärkt in schlüsselfertige WLAN-Hotspot-Pakete für Hotels, Gastronomiebetriebe oder Kleinfirmen. Doch auch Hardwareanbieter wie TP-Link, D-Link und Lancom verfügen über ein entsprechendes Portfolio. ITespresso gibt daher einen Überblick, wie Firmen mit Publikumsverkehr zum eigenen WLAN-Hotspot kommen können.