Redtube-Abmahnungen: Überwachungs-Tool offenbar ein Witz
Rechtsanwalt Johannes von Rüden und das Team von Abmahnhelfer.de üben heftige Kritik an dem Gutachten zur Software GLADII 1.1.3. Sie war angeblich eingesetzt worden, um die IP-Adressen von Personen zu ermitteln, die sich Filme beim Streaming-Portal Redtube angesehen hatten. Im Dezember hatte im Auftrag der in der Schweiz ansässigen The Archive AG die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen dann tausende Nutzer abgemahnt, weil sie dadurch Urheberrechte verletzt hätten.
Inzwischen hat sich nicht nur Redtube mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Abmahner gewehrt, sondern sind auch Zweifel daran laut geworden, ob sie überhaupt im Besitz der Urheberrechte sind. Außerdem liegen Anzeigen gegen die abmahnenden Anwälte vor und hat die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen aufgenommen. Nun entpuppt sich offenbar auch die zur IP-Adressermittlung eingesetzte Software als Bluff.
“Die erste Erkenntnis ist, dass es sich bei GLADII 1.1.3 nicht um eine eigenständige Software handelt, wie bisher von allen Stellen behauptet wurde, sondern ein webbasierendes Protokoll. Das lässt die ganze Affäre noch eigenartiger erscheinen, als sie ohnehin schon ist”, erklärte von Rüden am Wochenende in einer Pressemitteilung.
Das mit den Anträgen auf Adressauskunft bei Kölner Richtern vorgelegte Gutachten, das die Eignung der Software für die Ermittlung von IP-Adressen belegen sollte, bietet dem Berliner Anwalt zufolge “inhaltlich überhaupt nichts, was die Frage beantworten könnte, wie GLADII wirklich funktioniert: Wie wird es überhaupt eingerichtet? Woher weiß dieses Programm überhaupt, was es überwachen soll?”
“Diese Fragen werden durch das Gutachten gar nicht beantwortet. Solche Ausführungen wären aber unbedingt notwendig gewesen”, so von Rüden weiter. Zudem scheine der Gutachter selber damit einverstanden gewesen zu sein, dass sein Surfverhalten überwacht wird. “Wie wäre es aber gewesen, wenn ein vollkommen anderer Rechner überwacht worden wäre?”, fragt von Rüden.
Für die Kölner Richter sei nicht festzustellen gewesen, welchen Computer der Gutachter verwendet und überwacht hatte. Auch die Frage, welcher Rechner überwacht wurde, werde von dem Gutachten nicht beantwortet. “Vielmehr enthält es lediglich Selbstverständlichkeit und bläht diese in unnötiger Weise auf”, so von Rüden. Er hält es zudem nicht für ausgeschlossen, dass der überwachte Rechner und der Auswertungsrechner identisch sind.
Die Mainzer Anwaltskanzlei MMR ist durch Akteneinsicht am Landgericht Köln zu dem Gutachten (PDF) gelangt und hat das zwölfseitige Dokument veröffentlicht. “Das Gutachten selbst ist nach meiner Einschätzung völlig untauglich”, bescheinigt der Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter dem Dokument. Und der ebenfalls durch Blog-Posts zum Urheberrecht bekannt gewordene Freisinger Anwalt Thomas Stadler vermisst “selbst eine rudimentäre technische Erläuterung”.
Anwalt Daniel Sebastian, auf den die Abmahnwelle zurückgeht, hätte nach Ansicht von von Rüden bereits nach “flüchtiger Lektüre des Gutachtens eigentlich sofort erkennen müssen, dass man sich hierauf nicht verlassen darf. Dies hätte sich jedem mit einigen technischen Grundkenntnissen sofort aufdrängen müssen. Auch die Tatsache, dass die Test rund vier Monate vor der Gründung der Firma itGuards durchgeführt worden sind, hätten jeden vernünftig denkenden Menschen stutzig machen müssen.”
Bereits im Dezember hatte von Rüden Strafanzeige gegen Sebastian gestellt. Seine Kanzlei warf dem Abmahner vor, durch den Antrage auf Herausgabe der Daten von Redtube-Nutzern beim Landgericht Köln letztendlich gegen das Datenschutzgesetz verstoßen zu haben sowie bezichtigte Sebastian des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs.