Ein Weg zum Management 2.0: Prognosebörsen in Unternehmen

Crowdsourcing ist eine beliebte Enterprise-2.0-Technologie, die viele Unternehmen nutzen. Bei Tchibo beispielsweise reichen Nutzer über die Webseite tchibo-ideas.de Produktideen ein, Kunden des Jugend-Reisebüros Ruf berichten per Video über ihre Urlaubsreise, Hobby-Designer kreieren beim Textilversand Threadless T-Shirts. Doch nicht nur externe Nutzer oder Kunden bilden einen intelligenten Schwarm: durch den Einsatz einer Prognosebörse kann ein Unternehmen die kollektive Intelligenz der Mitarbeiter nutzen. Das Ergebnis schlägt sich dann nicht in T-Shirt-Designs oder Videobeiträgen nieder, sondern in konkretem Datenmaterial, das das Wissen und die Einschätzungen der Mitarbeiter-Crowd wiederspiegelt.

Elektronische Prognosebörsen existieren schon seit mehreren Jahrzehnten – die Plattform “Iowa Electronic Markets” der Universität von Iowa wurde anlässlich der US-Präsidentschaftswahlen von 1988 gegründet. Seitdem hat sich die Wahlprognose als der klassische Anwendungsfall für Prognosemärkte herauskristallisiert. Daneben hat auch die Wirtschaftsbranche die Vorzüge von Prognosemärkten als Werkzeug zur Unternehmensplanung erkannt. Im Dezember 2010 benannte McKinsey in einer Studie Prognosebörsen als eine der zwölf vielversprechendsten Web-2.0-Technologien.
Pionieranwender feiern Erfolge
Obwohl es viele Studien gibt, in denen nachgewiesen wurde, dass Informationsmärkte in puncto Prognosegenauigkeit traditionellen Marktforschungsmethoden ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sind, haben die betriebsinternen Prognosemärkte den großen Durchbruch bislang noch nicht geschafft.
Viele der mittelständischen und großen Firmen in Deutschland sind sich jedoch des unternehmerischen Potenzials dieser Technologie bewusst und nutzen bereits Informationsmärkte in ausgewählten Bereichen. Eines der Unternehmen, das bereits auf die “Weisheit der Vielen” vertraut, ist der Baumaschinenvermieter Zeppelin Rental. Zeppelin integrierte eine Prognosebörse in das Intranet, um mit Mitarbeitern an über 100 Standorten zu kommunizieren.
Christoph Afheldt, Leiter Unternehmensentwicklung bei Zeppelin, ist mit dem Erfolg der Börse zufrieden: “Seit Eröffnung der Prognosebörse haben wir aus der Unternehmensentwicklung verschiedene, strategisch relevante Fragen eingestellt. Die Meinungen und Feedbacks der Kollegen helfen uns bei der Analyse von Kundenbedürfnissen, von Marktlage und -trends, Entwicklungen im Wettbewerbsumfeld sowie der Identifikation von Weiterentwicklungspotenzial.”
Mit guten Prognosen punkten
Eines der Grundprinzipien von Prognosemärkten ist die Idee effizienter Märkte, das heißt, dass der Kurs einer Aktie bereits sämtliche vorhandenen Informationen widerspiegelt. Übertragen auf die betriebsinternen Börsen bedeutet dies, dass den Teilnehmern eine Plattform zur Verfügung gestellt wird, auf der ihr Wissen gehandelt werden kann.
Jeder Teilnehmer kann Vorhersagen zum Ausgang einer Fragestellung (zum Beispiel “Welchen Preis können wir für Produkt A erzielen?”) abgeben und zahlt einen Einsatz in Form von Punkten für jeden Tipp. Je sicherer sich der Teilnehmer ist, desto höher kann der gesetzte Betrag ausfallen. Je näher die Einschätzung am tatsächlichen Ergebnis liegt, desto mehr Punktgewinn wird erzielt. Umgekehrt verlieren Teilnehmer mit schlechten Prognosen Punkte und können somit mittelfristig weitere Prognosen nicht mehr signifikant beeinflussen. Dieses Anreizsystem ist der Schlüssel zur besonderen Genauigkeit von Prognosebörsen.
Ranglisten sorgen für Ansporn
In die Handelsplattform eingebaute “Gamification-Elemente” bieten zusätzliche Incentives, möglichst genaue Einschätzungen abzugeben. Die Punkte, die Teilnehmer mit einer hohen Schätzgenauigkeit erhalten, werden in einer einsehbaren Rangliste dargestellt. Dadurch wird der Wettbewerb der Mitarbeiter untereinander gefördert, die Nutzungsintensität der Plattform gesteigert und die Prognosegüte erhöht.
Zudem kann die Unternehmensleitung auch Sachpreise in Form von Gutscheinen für die besten Prognostiker eines Monats ausloben. Hochwertige Forecasts sind jedoch keineswegs das einzige, was Prognosemärkte leisten können. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass die intensivere Kommunikation zwischen Management und Mitarbeiter zu mehr Transparenz im Unternehmen führt, was das Betriebsklima verbessert.
Außerdem gilt ein einfaches psychologisches Prinzip: Menschen werden emotional und intellektuell aktiviert, wenn man sie um Rat fragt. Indem die Führungsebene die Tipps der Teilnehmer zu Rate zieht, signalisiert sie, dass sie die Einschätzungen und Meinungen der Teilnehmer schätzt und sie in Unternehmensentscheidungen miteinfließen lässt.
Ein weiteres Argument für Prognoseinstrumente ist die Schnelligkeit der Analyse: Abhängig von der verwendeten Software können Ergebnisse bereits innerhalb einer Woche vorliegen – bei herkömmlichen Marktforschungsinstrumenten kann es dagegen mehrere Wochen dauern, bis die Auswertung vorliegt.
Fazit
Der Wandel der meisten Unternehmen zu einem Enterprise 2.0 steht noch am Anfang. Viele der Werkzeuge, die im Zuge von Web 2.0 entwickelt wurden, machen Unternehmen fit für die neue Arbeitswelt, indem sie Wissen besser organisieren, die Kommunikation optimieren oder Mitarbeiter effektiver zusammenarbeiten lassen. Prognosemärkte unterstützen Entscheidungsfindungsprozesse im Unternehmen, indem sie die “Weisheit der Vielen” in konkrete Zahlen umwandeln, die Führungskräften als Entscheidungsgrundlage dienen.