Die CeBIT-Trends 2011

CloudServer

Professor Gunter Dueck ist so etwas wie der oberste Visionär von IBM. Als Chief Technology Officer (CTO), so der offizielle Titel, ist er zuständig für die Einschätzung von Trends und Technologien bei IBM. Auf Podiumsdiskussionen wird er gerne als Querdenker vorgestellt. Diese Eigenschaft hat er auch beim Presseforum 2011, das die kommenden Branchentrends diskutierte, wieder unter Beweis gestellt. Beispielsweise, indem er Cloud Computing mit Waschmaschinen verglich. Ein skurriler Vergleich, der dabei durchaus interessante Erkenntnisse brachte.

Cloud Computing erst durch Standards praxistauglich

Laut Dueck war die Einführung der Waschmaschine in den 50er Jahren in Deutschland auf starken Widerstand gestoßen. Damals waren Hausfrauen es nicht gewohnt, ihre Wäsche in Körbe für 30, 60 und 90 einzuteilen, sie hätten vielmehr »individuell« gewaschen. Die ersten Versuche mit den Maschinen von Miele hätten deshalb häufig zu verfärbter Wäsche geführt, weil die Wäsche eben nicht nach Temperaturen aufgeteilt worden war. Erst als die Standardisierung aller Wäschestücke in 30, 60, 90 Grad eingeführt wurde, klappte es. So ist der Siegeszug der Waschmaschine laut Dueck ganz wesentlich auf diese Standardisierung zurückzuführen.

Aufschlussreich für Cloud Computing: Die Waschmaschine konnte sich erst dann auf dem Markt durchsetzen, nachdem die Wäsche standardmäßig in 30, 60, und 90 Grad unterteilt wurde, erklärt IBM-CTO Gunter Dueck.

Genau das passiert laut Dueck gerade auch beim Cloud Computing. Entscheidend sei auch hier nicht die neue Technologie, sondern es ist die Standardisierung von Software und Daten, die Cloud Computing erst praxistauglich macht. Beim Cloud Computing werden gerade Software und Datenformate »gnadenlos normiert«.

Deutschland liebt Videotheken

Das Thema Standardisierung spielt auch bei einem anderen Trend der IT-Branche eine große Rolle. Der Erfolg von Blu-ray auf dem Home Entertainment-Markt ist auch das Ergebnis einer Standardisierung von Hardware und Software. Den aktuellen Stand beim Home Entertainment-Markt referierte Ernst Trapp, Geschäftsführer des Online-Videoverleihers Lovefilm.de.

Der Online-Videoverleiher Lovefilm hat nach eigenen Angaben über 40 000 Titel im Angebot.

Überraschend hierbei, dass der Bereich Video on Demand, also das Verleihen per Download oder Videostream übers Web, bisher noch nicht so etabliert ist wie viele denken. Zwar hat sich laut Trapp der Online-Verleih im Zeitraum von ersten bis zum dritten Quartal 2007 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Doch die klassische Videothek um die Ecke ist deshalb noch lange nicht tot. Sie hält in Deutschland immer noch einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Insgesamt werden pro Jahr DVDs für 300 Millionen Euro verliehen, sei es als physischer Datenträger sei es als Online-Stream.

Offenbar ist der berühmte »Tipping Point«, den Gunter Dueck in seinem Eingangsvortrag erwähnte, bei Video on Demand (VoD) bisher noch nicht erreicht. Gemeint ist mit dem »Tipping Point« üblicherweise, dass neue Technologien sich zuerst schleppend verbreiten, sich aber ab einem bestimmten Punkt der Verbreitung, plötzlich sehr schnell durchsetzen. Dueck sieht hier aber vor allem den Nutzen als das entscheidenden Kriterium an. Sobald eine Technik so ausgereift ist, dass der Nutzen offensichtlich wird, schlagen die Anwender zu. Und dann kann es plötzlich sehr schnell gehen.

DVD-Verkauf ist rückläufig

Auf dem Bereich Home Entertainment angewandt, könnte das heißen, dass höhere Bandbreiten, einheitliche Standards für Videokomprimierung, zuverlässige Downloads und passender Hardware wie leistungsfähige Multimedia-Prozessoren im Setup-Boxen dazu beitragen können, dass Anwender plötzlich anfangen, ihre Videos aus dem Internet herunterzuladen. Allerdings erwartet Trapp den schnellen Durchbruch noch nicht in den nächsten zwei Jahren. Er sieht für die nächsten 10 bis 15 Jahre eine Art »hybrides Übergangsmodell«. Darin werden beide Technologien – physische DVDs oder Blu-rays und der Verleih per Internet-Download – koexistieren.

Am Ende dieser Entwicklung werden dann auch die stationären Videotheken »von der Bildfläche verschwinden«, vermutet Trapp. Bis dahin wird wahrscheinlich auch die DVD von der Bildfläche verschwunden sein. Deren Verkäufe sind nach Jahren des rasanten Anstiegs bereits leicht rückläufig, kompensiert wird dies nur von den steigenden Absatzzahlen für Blu-ray-Medien.

Datev verbindet alle Parteien

Als großer Fan von Cloud Computing präsentierte sich auch die Datev. Obwohl Datev-Vorstand Eckhard Schwarzer lieber das Wort Rechenzentrum verwendet. Das Softwarehaus und der IT-Dienstleister für »Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren Mandanten« will Behörden, Banken, Finanzämter, Kanzleien und Unternehmen in einer Cloud Computing-Plattform betreuen. Dabei sollen alle Zahlungs-, Prüf- und Abrechnungsprozesse inklusive digitales Signatur, die diese Parteien miteinander verbinden, im Datev-Rechenzentrum abgewickelt werden.

Alexander Arnold, Geschäftsführer der SAP-Tochter Steeb, Anwendungssysteme stellt SAP-Lösungen für den Mittelstand vor.

Neben dem Megatrend Cloud Computing hatte das Presseforum aber auch weitere Themen  zu bieten, darunter etwa Thema Verkehr und Elektroautos. Spannend wird hier besonders die Frage, wie moderne Navigationssoftware mit den besonderen Bedürfnissen von Elektroautos umgeht. Schließlich haben diese noch eine kürzere Reichweite als herkömmliche Autos und müssen regelmäßig an die Ladestation. Deshalb muss bei der Routenplanung der Standort von Ladestationen und die Entfernung bis dorthin mitberücksichtigt werden, wie Matthias Hormuth von der PTV AG erklärte.

Eigenwerbung statt Trendanalyse

Daneben beschrieb Ingo Schneider, Vice President Mobile Internet, Mobile Products, bei der Deutschen Telekom, wie sein Unternehmen auf dem rasant wachsenden Markt für mobile Anwendungen und Smartphones mitzumischen gedenkt. Und Alexander Arnold, Geschäftsführer der SAP-Tochter Steeb erläuterte die Neuerungen in den Bereichen Business Intelligence und mobile Lösungen.

Den rechten Überblick über Trends der nächsten Monate vermochte die Veranstaltung freilich nicht zu geben. Die meisten Referenten begnügten sich damit, ihr eigenes Unternehmen und sein Produkt-Portfolio vorzustellen und nutzten das Presseforum zur Eigenwerbung als zum Blick auf die IT-Branche.

Zu den ergiebigeren Auftritten gehörten eine Präsentation von Professor Marc Drüner, der an der Berliner Steinbeis-Hochschule einen Lehrstuhl für Innovationsmarketing innehat. Drüner beschäftigte sich mit der zunehmenden Kommerzialisierung von Facebook. Mehr dazu finden Sie in Kürze auf IT Espresso.de.

Kurzfristig: Gute Aussichten für Service-Dienstleister

Aufschlussreich war auch die Präsentation von Tobias Ortwein, Senior Vice President beim französischen Marktforschungsunternehmen Pierre Audoin Consultants, kurz PAC. Ortwein gab einen Ausblick auf die Entwicklung in der Service-Branche. Demnach sieht es für die nächsten Jahre noch ziemlich gut für die IT-Servicedienstleister aus. Das lässt sich beispielsweise an Zahlen von 2010 ablesen. Von den 100 Milliarden Euro, die deutsche Unternehmen für IT ausgegeben haben, in vielen immerhin 46,7 Milliarden, etwa 43 Prozent, auf den Bereich Software und Services. Für Hardware machten deutsche Unternehmen dagegen nur 17 Prozent ihres IT-Budgets locker.

Im Zeitraum 2010 bis 2014 wird der Service-Markt um 5,2 Prozent anwachsen. Er liegt damit deutlich über dem Durchschnitt. Insgesamt werden die Ausgaben für IT bis 2014 Uhr und 2,6 Prozent steigen. Die Ausgaben für Hardware steigen nur um 1,6 Prozent. Noch eine positive Nachricht: Laut PAC zählt Deutschland zu den fünf größten Märkten weltweit für IT-Dienstleister und hat innerhalb der Top 5 die größten Wachstumsraten.

Cloud Computing bringt IT-Services in Bedrängnis

Ortwein beschäftigte sich auch mit der Frage welchen Einfluss der Megatrend Cloud Computing auf das Servicegeschäft haben wird. Seiner Einschätzung nach wird die neue Technik den IT-Dienstleister kurzfristig mehr Aufträge verschaffen, beispielsweise beim Application Management oder der Systemintegration. Langfristig allerdings macht Cloud Computing immer mehr Service-Angebote von Cloud Computing überflüssig. Die IT-Dienstleister geraten unter Druck und müssen ihre Geschäftsmodelle anpassen.

Den IT-Dienstleister haben also noch ein paar Jahre Zeit, sich in der Ära des Cloud Computing einzurichten. Gut möglich, dass dann wieder eine neue Technologie auftaucht – und damit neue Geschäftsmöglichkeiten für IT-Dienstleister.

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